Kurzkritik:Frei Schnauze

Die Hamburger Rapperin Eunique im Backstage

Von Stefan Sommer

"Seid ihr bereit für Eunique?", brüllt der DJ in den Backstage-Zuschauerraum und gibt, mit der Antwort des Publikums offenbar einverstanden, das Handzeichen zum Bühnenrand. Das Licht geht aus, und als es wenig später wieder angeht, steht ein Typ da. Wo er herkommt oder hin will, ist schwer zu sagen. Erschrocken versucht er geduckt die andere Bühnenseite zu erreichen. Eventuell hat er da etwas vergessen. Er hechtet aus dem Licht. Und Eunique? Die Hamburger Rapperin kommt als Zweite - mit Sicherheitsabstand. Das war anders geplant. Sie muss lachen.

Ein Treppenwitz der jüngeren, deutschen Popgeschichte: 2015 stößt ihr ausgerechnet der Rapper Fler das Tor in die Szene auf. Der nicht direkt für feministische Pamphlete bekannte Berliner Veteran teilt bei Youtube ein wackeliges Homevideo einer jungen Frau, die mit Hamburger Slang ihren Machofreund verbal auseinander nimmt. Er will ihr verbieten, Musik zu machen. Es ist das erste Rap-Video von Eunique Cudjo Berkeley - damals nennt sie sich Eunique Kobra. Die in Hamburg Poppenbüttel aufgewachsene Tochter eines Mannes aus Trinidad und einer Frau aus Ghana freischnauzt sich darin ihren Frust von der Seele. Sie selbst, die im Stadion des Fußballvereins FC St. Pauli als Fahrstuhl-Hostess jobbt, erlebt an diesem Abend in ihren Raucherpausen am Handy wie Hip-Hop-Deutschland plötzlich auf sie schaut.

Mittlerweile, vier Jahre später, ist Eunique eine erfolgreiche Schauspielerin und das Gesicht einer amerikanischen Sportartikelfirma. In den Fußgängerzonen kleben überdimensional große Plakate von ihr. Hits wie "Wer ist so nice?" von ihrem Top-Ten-Debütalbum "Gift" funktionieren online wie live ausgezeichnet. Die basslastigen Instrumentale und ihre physische Präsenz überzeugen auch im Backstage. Eunique kann rappen, singen, tanzen und wirft so stolz und wütend die pink gefärbten Haare hin und her, dass man darin einen feministischen Akt sehen könnte. Da darf man manchmal auch erst als Zweite auf die Bühne kommen.

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