Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Flut an Worten

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Nektarios Vlachopoulos in der Lach- und Schießgesellschaft

Von Thomas Becker, München

Lustige Geschichten aufschreiben - das können viele. Sie dann aber auf der Bühne so zu erzählen, dass sie dem Zuhörer auch am Tag danach noch genau so präsent sind wie am Abend zuvor - das können nicht so viele. Nektarios Vlachopoulos, Baden-Württemberger mit griechischen Eltern, besitzt diese Gabe. Natürlich kann man nicht alles memorieren, was dieser in Sachen Sprechgeschwindigkeit locker an Dieter Thomas Heck vorbeiziehende SlamPoet und Humorist (Selbstbeschreibung) in der Lach- und Schießgesellschaft so von der Bühne lässt, aber allein die schwäbische Version von "50 Shades Of Grey" ("Komm her, Spätzle!"), der herrlich missratene Besuch im Techno-Club oder die Beschreibung seiner maximal dilettantischen Flirtversuche wärmen das Gemüt des Zuschauers durchaus nachhaltig.

Das zweite Solo-Programm des 33-Jährigen ist ein Wortüberfall der angenehmen, aber nicht unanstrengenden Art. "Ein ganz klares Jein" hat Vlachopoulos sein Werk genannt, wobei Jein für ihn das Aushalten von Komplexität impliziert. Die Welt ist eben nicht bloß schwarz oder weiß, und widersprüchliches Verhalten liegt nun mal in der Natur des Menschen. So flink, geistreich und luzide, wie er durch seine Wortkaskaden galoppiert, muss man zusehen, dass man von all den Späßchen und Spielereien nichts verpasst.

Gleich die Einstiegsnummer mit Cro-Maske ("Hoffe, dass wirkt jetzt nicht zu aufgesetzt") lässt er zum beinahe philosophischen Seminar über die geistige Verfasstheit des modernen Menschen geraten - um in der Folge über das vergleichsweise banale Phänomen "Backpacker auf Jagd nach instagramtauglichen Urlaubsmasken" zu verhandeln. Später plädiert er noch für Faulheit ("Sei dumm! Denk mit dem Herzen. Frag einen Zeugen Jehovas, ob er mal ne Minute Zeit hat!"), formuliert mal letzte Worte ("Ich kann's kaum erwarten!"), sinniert über politischen Konservatismus ("Seehofer ist nicht böse auf den Islam - der ist neidisch") und fragt, wie es dem Über-Ich eigentlich beim Sex geht. Ist das nun irre, lustig oder irre lustig? Ein ganz klares: Jein.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2019
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