Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Fabelhaft unangestrengt

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"Die fetten Jahre sind vorbei" als Theaterstück

Von Petra Hallmayer, München

Lichtkegel von Taschenlampen huschen durch die Dunkelheit, während sich die Einbrecher ihren Weg auf die Bühne bahnen. Die Freunde, die in "Die fetten Jahre sind vorbei" in Luxusvillen einsteigen, wollen niemanden ausrauben. Sie verrücken nur die Möbel und hinterlassen Botschaften wie "Sie haben zu viel Geld", die sie mit "Die Erziehungsberechtigten" unterzeichnen.

Als Hans Weingartners Film 2004 in die Kinos kam, klangen einige Sätze darin wie 68er-Zitate. Heute sind antikapitalistische Statements omnipräsent, ruft eine neue Generation ihre Eltern zum Umdenken auf. So kommt diese Filmadaption im Zentraltheater zur rechten Zeit. René Oltmann hat die Geschichte mit minimalen Mitteln verdichtet und mit Schwung, Witz und wunderbar zarten Momenten inszeniert. Rasmus Max Wirth als unbekümmerter Charmeur Peter, Leonard Hohm als eindringlich ernsthafter Jan und Theresa Weihmayr als Jule, die davon träumt, wild und frei zu leben, sind ein tolles Trio. Sie kichern, knutschen, tanzen, debattieren hitzköpfig, machen den jugendlichen Zorn und Übermut, die Lust am geilen Kick der Gefahr, das Schwanken zwischen grenzenloser Selbstsicherheit und Rat- und Hilflosigkeit fabelhaft unangestrengt spürbar.

Was wie ein Spiel beginnt, nimmt eine bedrohliche Wendung. Bei einer Spontanaktion werden sie vom Hausbesitzer überrascht. Verbal fällt die an RAF-Parolen gemahnende Zweiteilung der Welt in "Schwein oder Nicht-Schwein", "Problem oder Lösung" leicht. Nun aber stehen sie einem realen Menschen gegenüber. Der Manager und Manipulator Hardenberg, der die Drei in Diskussionen verwickelt, von seiner linken Jugend erzählt, ist im Zentraltheater nur als Stimme vom Band präsent. Dadurch fehlt dem Trio in den rhetorischen Gefechten das Gegenüber, es spricht ins Leere. Plötzlich verliert der Abend die Dynamik, stolpert überhastet zur Schlusspointe. Das ist schade und dämpft die Freude über eine ansonsten rundum gelungene Inszenierung.

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Quelle:
SZ vom 05.06.2019
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