Ein halbes Jahr ist Clemens Schuldt nun schon Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters. Und im Prinzregententheater hat er nun erneut bewiesen, wie sehr dieses Orchester, dem man so gerne nachsagt, es brauche eigentlich gar keinen Dirigenten, von dem jungen, wachen und vor allem stilistisch flexiblen Geist Schuldts profitiert.
Man präsentiert ein für das MKO typisches Programm, das seinen Weg von der Gegenwart (Stefano Gervasonis "Un leggero ritorno di cielo" von 2002) über die Moderne (Benjamin Brittens Nocturne, op. 60) zu Mozarts Posthorn-Serenade in die Klassik bahnt. Doch der Enthusiasmus, den Schuldt all diesen Stücken gleichermaßen und bei dennoch hoch gehaltener Präzision entgegen bringt, der sorgt bei Musikern und Publikum für Euphorie. Bei Gervasonis Klangstudie für 22 Streicher reizt Schuldt dabei die Gegensätze von mäandernder Beiläufigkeit, expressiv-noisigen Akkorden und hinter transparenten Klangvorhängen versteckten Bach-Zitaten aus. Gemeinsam mit dem Tenor Ian Bostridge begibt er sich dann in das Kernstück des Abends: Brittens acht Nachtlieder. Und mit Bostridge, der ja immer ein bisschen an der Grenze zum Overacting agiert, hat Schuldt, was die Lust am musikalischen Ausdruck an sich betrifft, einen großen Partner. Bostridge kiekst und schreit, er doziert und überwältigt, er ist heimgesucht und verrückt. Und Schuldt übernimmt diese Stimmungsvielfalt, bringt sie detailreich und genau justiert dem Orchester samt den großartigen Instrumentalsolisten nahe.
Mozarts Posthorn-Serenade erwartet einen danach erst einmal unpassend konventionell. Doch hier beginnt das Orchester mit ausladender und schwerer Rhythmik pompös, um dann detailreich im Andantino das Nacht-Thema des Programms zurück zu suchen. Ein zu Recht übermäßig euphorisch beklatschter Konzertabend.