Kurzkritik:Etwas statisch

Der Pianist Szymon Nehring bei Klassik vor Acht

Von Andreas Pernpeintner

Den ersten markanten Eindruck hinterlässt der Pianist Szymon Nehring bei Klassik vor Acht im Herkulessaal bereits, als er das Podium betritt. Im weißen Jackett und mit Fliege ist hier noch kaum jemand aufgetreten. Fast wünschte man ihm einen durchsichtigen Udo-Jürgens-Flügel statt des schwarzen Fazioli dazu. Aber hier sollen keine Popmusik-Vergleiche gezogen werden; 2017 hat Nehring den Arthur-Rubinstein-Klavierwettbewerb gewonnen. Schon die ersten Takte aber zeigen: Wie Rubinstein, dessen körperentspannte Haltung ihn bis ins hohe Alter zu Höchstleistungen befähigte, spielt Nehring nicht. Mit zusammengezogenem Schultergürtel sitzt er vor der Klaviatur. Jeder Akzent erschüttert den Körper; andere Noten, denen kein Impetus beizugeben wäre, erschüttern ihn auch. Nachdrückliche Passagen entlocken Nehring ein hörbares Schnaufen. Entspannt wirkt das nicht - was freilich klanglich für die Interpretationen nichts Schlechtes bedeuten muss.

In der Tat, Franz Schuberts Wanderer-Fantasie gelingt schön. Sie ist gut im Fluss, Nehrings Stimmengewichtung ist transparent, die Melodik ist in schlüssig nachvollzogenen Bögen ausgespannt. Vor allem aber beeindruckt die mitunter donnernde Virtuosität, die Schubert hier komponiert hat. Nehring ist dieser Herausforderung absolut gewachsen - und sicherlich ist gerade bei den brausenden Repetitionen seine pianistische Grundspannung kein Nachteil. Dass er für die Wanderer-Fantasie großen Applaus bekommt, mehr als zuvor für Schuberts a-Moll-Klaviersonate D 784, ist also folgerichtig. Die Sonate wirkte etwas statisch in Einzelereignisse untergliedert.

Nach kurzer Unterbrechung kehrt Nehring im Gilet statt Sakko zurück und setzt sich an Prokofjews sechste Klaviersonate. 1940 im Zweiten Weltkrieg geschrieben, ist diese Sonate von wirklich herber Düsternis durchzogen. Szymon Nehring trifft diesen Ton gut, beleuchtet aber auch den subtil dekonstruierten Walzer des dritten Satzes stimmig.

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