Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Erotischer Thrill

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Philippe Jaroussky und das Ensemble Artaserse

Von Klaus Kalchschmid, München

Was für einen Zauber verströmt diese außergewöhnliche Stimme immer wieder, wie sehr faszinieren stupende Musikalität, traumhaft schwebende Pianissimi, aber auch - wenn nötig - die intensiv strahlende Attacke in der Höhe! Wenn Philippe Jaroussky nach München kommt, ist das Prinzregententheater voll, und der überaus herzliche Applaus signalisiert schon zu Beginn: Wir freuen uns unbändig. Der französische Countertenor singt mit seinem so unverwechselbar schönen Timbre, das auch einen unwiderstehlich erotischen Thrill besitzt, bereits 15 Jahre lang an der Weltspitze, hat unzählige Soloalben herausgebracht, ist in vielen barocken Operngesamtaufnahmen dabei und auf DVD zu erleben - erst jüngst in "Only The Sound Remains", für ihn komponiert von Kaija Saariaho. Da verkörpert er sowohl einen Geist wie einen Engel.

Vor Kurzem ist ein reines, schlicht überwältigendes Händel-Album erschienen. Von dessen 13 Arien sang Jaroussky elf plus "Ombra mai fu" als letzte Zugabe, geschickt mit Instrumentalstücken Händels verwoben, die das Ensemble Artaserse wunderbar lebendig spielte. So wurde Zwischenapplaus verhindert, und das Programm ergab vier Blöcke. Mal endeten sie still, mal - wie vor der Pause - mit virtuoser Brillanz, mittels derer hier Radamisto den Feind als Feigling angreift und verhöhnt. Kaum je wurde später in der Oper ein so unmittelbarer Furor komponiert, und Jaroussky hat hörbar Spaß daran, wie er auch bei der zweiten Zugabe, Arsamenes "Sì, la voglio e l'otterò - Ja, ich will und werde sie erlangen!", charmant mit seinen wunderbaren Musikern und dem Publikum spielt.

Trotzdem verströmen die leisen, getragen klagenden Arien den noch größeren Reiz: Wunderbar steigert Jaroussky den Ausdruck durch perfekt gesungene und mit Ausdruck erfüllte Verzierungen in der Wiederholung des A-Teils von "Deggio morire, o stelle!" aus "Siroe"; zauberhaft lässt er das Herz in "del mio cor" oder den Liebesgott ("Dio d'Amor") am Ende der beiden Teile der Arie des Tirinto ("Imeneo") sanft untröstlich sich ins Nichts auflösen.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2017
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