Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Erfrischend

Okka von der Damerau und Dean Power in der Hofkirche

Von Klaus Kalchschmid, München

Ach, wie wunderbar, Gustav Mahlers "Lied von der Erde" einmal nicht in der Philharmonie von einem Heldentenor, der die hohen Töne wie ein Gewichtheber stemmt, und einem satten, reifen Alt zu hören, sondern in der Allerheiligen Hofkirche vom jungen lyrischen Tenor Dean Power und dem schlanken, gehaltvollen Mezzo Okka von der Dameraus.

Wie auch Schönbergs Kammer-Fassung versammelt Alexander Krampes Reduktion der großen Originalbesetzung für das Orchester der Kammeroper München nur 15 Musiker. Wo Schönberg das Harmonium einsetzt, stützt hier ein Akkordeon, fein gespielt von Alexander Kuralionok, das filigran aufgefächerte Geschehen oder gibt melodischen Wendungen eine eigene Farbe. Herausragend unter den exzellenten Musikern unter Leitung von Nabil Shehata auch der erste Geiger Boris Brovtshin, der ebenso subtil wie virtuos spielt und souverän zwischen Solo, Kammermusik und großer Geste wechselt oder die Ebenen durchmischt.

Dean Power forciert seine helle, warme Stimme nie oder lädt sie expressiv auf. Damit stellt er wahrlich einen naiven, sorglosen Jüngling dar, der angesichts des überall lauernden Todes das Leben in vollen Zügen genießen und sich bis zum Umfallen betrinken will. Der Mezzosopran verherrlicht in "Von der Schönheit" ebenfalls jugendliches Ungestüm, kennt aber schon den Herbst des Lebens und nimmt nicht erst im letzten Teil "Abschied". Okka von der Damerau vermeidet jegliche Sentimentalität, setzt aber viele Farben und Ausdrucksnuancen ein für den Spagat zwischen Lebensbejahung und dem Abschied vom besten Freund, der einsam in die Berge wandert.

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Quelle:
SZ vom 01.12.2018
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