Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Emotional vergegenwärtigt

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Krassimira Stoyanovas Liederabend bei den Opernfestspielen

Von Michael Stallknecht, München

"Hoffentlich wird es nicht zu langweilig", sprach Krassimira Stoyanova zum Publikum im Prinzregententheater zwischen den Zugaben mit einem bulgarischen und einem russischen Lied. Nein, keine Sorge, da könnte es noch ewig so weitergehen, zumal in diesem Repertoire. Als klug durchdachte Begegnung von deutschem und slawischem Lied hatten die bulgarische Sopranistin und ihr Pianist Jendrik Springer ihr Programm bei den Opernfestspielen angelegt: Den Liedern des deutsch-österreichischen Klassikers Franz Schubert entsprachen im zweiten Teil die des russischen Peter Tschaikowsky, denen des Spätromantikers Richard Strauss die des noch ausladenderen Sergej Rachmaninow, denen des zu selten gespielten Erich Wolfgang Korngold die des hierzulande unbekannten bulgarischen Komponisten Georgi Slatew-Tscherkin.

Dass das slawische Repertoire am Ende mehr überzeugte, lag wohl auch daran, dass sich Stoyanova doch häufiger der Oper als dem Lied widmet. Für Schubert, Strauss und Korngold hielt sie den Stimmfluss künstlich schmal, was, wie bei schwereren Stimmen nicht selten, leicht artifiziell wirkte. Zumal auch Jendrik Springer klar und dynamisch reich abschattiert begleitete, aber manchmal mehr Atmosphäre hätte beisteuern können.

In den russischen und bulgarischen Liedern dagegen darf sich Emotionalität von vornherein direkter entladen, ähneln schon Tschaikowskys Lieder doch den Arien seiner Opernfiguren, in denen sich oft aus einer leicht melancholischen Verschattung heraus letztlich das große Melos Bahn bricht. Das aber bedeutet: Emphase, Möglichkeit auch zum Ausbruch, der dem opernhafteren Temperament Stoyanovas entgegenkommt. Da kann sie ihre satt dunklen Tiefen einbinden, die Höhen auch mal attackieren. Wobei sie nie überzieht, sondern immer nah am Text und der Erzählsituation bleibt. Lyrische Empfindsamkeit vereint sich mit verkappter Dramatik zu einer Kunst der emotionalen Vergegenwärtigung, die alles andere als langweilig ist.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2018
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