Kurzkritik:Eine Delikatesse

Lesezeit: 1 min

Kongeniale Partner: die Mezzospranistin Elisabeth Kulman und der Dirigent Vasily Petrenko. (Foto: Wilfried Hösl)

Elisabeth Kulman beeindruckt beim Bayerischen Staatsorchester

Von Egbert Tholl, München

Die rüstigen Damen auf den Plätzen neben mir sind ein wenig verdattert. Aber da habe doch gestanden, dass Petrenko dirigiert. Stimmt auch, nur dieser Petrenko heißt Vasily, ist mit Kirill, dem bayerischen Staatsgeneralmusikdirektor, weder verwandt noch verschwägert und schaut auch ganz anders aus. Kann aber gleichfalls toll dirigieren.

Das beweist er vor der Pause mit einem symbiotischen Einverständnis mit der Mezzosopranistin Elisabeth Kulman. Wagners "Wesendonck-Lieder" geraten gern einmal zum Ausdruck ehebrecherischer Brunst, was sie im Kern vermutlich sogar sind, aber nicht unbedingt ihrem Wesen nach. Zwar wirken die Gedichte, die Mathilde Wesendonck Richard Wagner zur Vertonung schenkte, in der Wortwahl wie aus dessen Libretti herausgeschabt, doch ging Wagner sehr fein mit ihnen um. Das gilt für die Orchesterfassungen von Felix Mottl ebenso, zumindest wenn diese von Kulman/Petrenko (Vasily) veredelt werden.

Elisabeth Kulman verachtet jeden billigen Effekt. Den "Engel" gehen sie und Petrenko so schlicht und geradlinig an, dass es der Konzertmeister Markus Wolf schier nicht mehr aushält und einen pathetischen Ausbruch inszeniert. Petrenko, Kulman und dem Staatsorchester gelingt eine fast schon aberwitzig angespannte Darbietung. Alles ist auf den Text konzentriert, der so ungeheuer plastisch wird. Keine Spur irgendeines Vibratos, dafür eine Kunst des Pianissimo. Das gilt fürs Orchester genauso. Fabelhaft, faszinierend. Das dritte Lied, "Im Treibhaus", vermittelt so nur eine vage, schwebende Ahnung vom "Tristan", aus dem das Material des Lieds stammt. Das ist so ungeheuer fein, dass es riesengroß wird. Absolut delikat!

Leider nach 25 Minuten vorbei. Dennoch gibt es nach dem Jubel eine Pause, damit an der Bar etwas verdient wird - ein anderer Grund ist nicht ersichtlich. Danach setzt Petrenko seine Linie der perfekten Präzision fort. Vermutlich ist er an diesem Abend der einzige, der Elgars zweite Symphonie durchschaut. Er kann sie mit großen, fantasievollen Bewegungen verblüffend gut vermitteln. Seltsames Stück, grandios musiziert, schillernd zwischen manisch und depressiv.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: