Kurzkritik:Ein Segen

Gregory Porter auf Tollwood

Von DIRK WAGNER

Das 53-köpfige holländische Metropole Orkest gilt als das letzte, noch klassisch besetzte Rundfunk-Tanzorchester Europas. Zahlreiche seiner Konzerte wie die mit Elvis Costello oder Al Jarreau sind ebenso auf Tonträger dokumentiert, wie das mit ihm eingespielte kammermusikalische Werk von und mit Star-Schlagzeuger Terry Bozzio. Der Auftritt des legendären Orchesters alleine hätte also schon den Besuch des Tollwoods gelohnt, wo es den afro-amerikanischen Jazz-Sänger Gregory Porter begleitet. Dessen Erfolg offenbart, dass es neben der Popmusik auch eine lebendige Jazzmusik gibt, die sich nur allzu oft in schummrige Jazzclubs verkriecht, und dass Jazzmusik im Grunde auch nur eine Form der Popmusik ist.

Letztlich könnte man Porter auch als Protestsänger preisen, nur dass er seine Songs gegen Rassismus nicht zur Gitarre singt, sondern zu einer orchestral aufbereiteten Melange aus Soul und Jazz, der die Streicher des Metropole Orkests auch mal klassisch anmutende Figuren im Pachelbelschen Stil unterjubeln. Mit erotischer Leidenschaft kontern sofort die Bläser, angetrieben von der Rhythmus-Sektion, zu der man immer wieder auch die Hammondorgel zählen darf, die das Blut durch die Adern jenes großartigen Klangkörpers pumpt. Dann wechselt der Keyboarder wieder zum Steinway-Flügel. Aus der hinteren Reihe sticht regelmäßig der renommierte Gitarrist Peter Tiehus mit grandiosen Soli hervor. Bis zum perlenden Harfenspiel lotet das Orchester unter dem Dirigat von Jules Buckley detailverliebt jede Nuance der Musik aus. Doch erst wenn Porter seinen Bariton über solch vollkommenen Klang legt, gewinnt dieser eine Spiritualität, die die Zuhörer ebenso erfasst wie Bruder Porters ermahnende Predigten. "Behandele andere, wie du behandelt werden magst", fasst er die goldene Regel zusammen, die schon sein erstes Stück am Abend, "Painted On Canvas", mit der Kraft einer segnenden Musik in die Herzen seiner Hörer pflanzt.

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