Kurzkritik:Ein Ereignis

Clemens Schuldt und das Münchener Kammerorchester

Von Klaus Kalchschmid

Kein Orchester dieser Stadt kann Franz Schuberts "Unvollendete" so vollendet spielen wie das Münchener Kammerorchester. Am Ende des ersten Konzerts im Prinzregententheater zum Saison-Thema "Wärme" überstrahlten die beiden Sätze unter Leitung von Clemens Schuldt alles zuvor Gehörte. Selbst das zweite Hauptwerk des Abends, Clara Schumanns janusköpfig zwischen empfindsamer Romantik in der "Romance" des langsamen Satzes und Virtuosität schwankendes Klavierkonzert mit dem kompetenten Solisten Alexander Melnikov, wurde da zur Fußnote.

Keine 40 Musiker sind für Schubert auf der Bühne: beste Voraussetzung für eine wunderbare Ausgewogenheit und Durchsichtigkeit des Klangs. Aber wie Schuldt und sein Kammerorchester auf jede Nuance der Musik reagierten, war schlicht ein Ereignis. Sie drangen tief ein in das unergründliche Geheimnis dieser teils ungemein verletzlich zarten, teils heftig aufschreienden Musik, vor der man immer wieder staunend steht. Am liebsten hätte man sich danach ganz ohne Applaus nach Hause gewünscht.

Zu Beginn folgten auf das dissonante "Chaos" aus Jean-Féry Rebels "Les Éléments" von 1738 unmittelbar die flirrenden Reibungen von "Elongation of Nights" von Justè Janulytė und vor Schubert die Uraufführung eines wahrhaft hitzigen Stücks, aus dem Harmonien, metrische Muster, melodische Bruchstücke und musikalische Verdichtungen in einem faszinierenden Fluss herausbrachen, als wäre es das Spiel von erstarrter schwarzer und dickflüssig rot glühend aufbrechender Lava. So hat es sich Johannes Maria Staud mit "Terra Pinguis (für Arthur)" wohl gedacht, meint der Titel doch die "schwefelige, fette, ölige" Erde im Verständnis der Alchemisten des Mittelalters als Gegensatz zu anderen Substanzen.

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