Kurzkritik:Ein Ereignis

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Vessilina Kassarova und die "Rising Stars" im Odeon

Von Harald Eggebrecht, München

Endlich! Das bewegende Gefühl, das jeden ergriff, dem das Musikleben dieser Stadt etwas bedeutet, ist nahezu unbeschreiblich: Seit der Zerstörung durch Brandbomben während des Zweiten Weltkriegs 1944 hatte es im Odeon, in dem seit 1828 das musikalische Herz Münchens ebenso imponierend schlug wie in der Oper, so gut wie kein reguläres Konzert mehr mit Eintrittskarten für renommierte Künstler, einem interessanten Programm und einem erwartungsvollen Publikum gegeben. Doch am vergangenen Sonntagabend ließen strenge Kontrolleure die Zuhörer in den Innenhof des heutigen Innenministeriums am Odeonsplatz (!) zum Konzert des Festivals "Stars & Rising Stars". Die berühmte Mezzosopranistin Vesselina Kasarova und die talentierten Jungsänger Huang Shan, Tenor, und José Coca Loza, Bass, boten mit dem Salzburger Ensemble 1756 Arien und Szenen aus Opern von Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadé Mozart und Gioachino Rossini.

Einst als einer der schönsten und akustisch besten Konzertsäle der Welt gepriesen - wer mit alten Münchnern spricht, kann bei ihrem Schwärmen von Konzerterlebnissen das Leuchten in den Augen sehen - ist das Odeon heute nurmehr der überdachte Innenhof des Innenministeriums. Zwar ist die alte Apsis mit den Nischen für Komponistenbüsten erhalten, auch die umlaufende Säulenordnung. Die darüberliegende zweite ist aber ebenso verloren wie das Dach. Der eigentliche Saal befand sich im ersten Stock. Heute sitzt man zu ebener Erde im zum Ehrenmal umgebauten Hof eine Etage zu tief. Kein Wunder, dass der gepflasterte Hof, der für dieses Musikereignis bestuhlt war, nicht optimal klang: Zu viele Reflektionen, zu viel Steinernes und zu wenig Probenzeit.

Doch die Aura des sofort als Musiksaal erkennbaren Raums, die Nähe zwischen Musikern und Publikum, die wachsende Sicherheit von Sängern und Orchester im Umgang mit den akustischen Besonderheiten, all das rundete den Abend im Odeon zum Ereignis. Innenminister Joachim Herrmann, der Schirmherr des Abends, hatte in seiner Grußadresse schon gemeint, dass ein einmaliges Erlebnis aus Architektur und Musik zu erfahren sei. Nach dem rauschenden Erfolg weckte der sichtlich vergnügte Innenminister Herrmann Hoffnungen, den Innenhof seines Ministeriums öfter mal für "seine ursprüngliche Funktion" als Konzertsaal zu öffnen. Wir freuen uns darauf!

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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