Kurzkritik:Ebbe statt Flut

Camille Thomas und Naoko Sonoda

Von Harald Eggebrecht

Zwei CDs hat die sympathische belgische Cellistin Camille Thomas, Jahrgang 1988, bisher herausgebracht, Preise und Ehrungen geerntet. Von manchen Auguren wird sie als "rising star" gepriesen. Doch ihr Recital mit der glänzenden Pianistin Naoko Sonoda in der Allerheiligen Hofkirche machte klar, wie schwer es ist, den Leitsatz des großen Cellomeisters Janos Starker auf der Bühne tatsächlich zu verwirklichen: "Man darf das Cellospiel nicht auf den menschlichen Schwierigkeiten aufbauen."

Camille Thomas erklärte liebenswürdig ihr Programm als Hommage an die europäische Spätromantik vom Franzosen Gabriel Fauré über den deutschen Johannes Brahms, weiter zum Tschechen Antonin Dvořák hin zum belgischen Landsmann Eugène Ysaÿe bis zum Russen Sergei Rachmaninow. Eine wahrlich abwechslungsreiche Reise durch höchst verschiedenartige Musikwelten.

Doch die Cellistin bot statt klanglicher und kompositorischer Vielfalt eher Monotonie, Klangfarbenarmut und willkürliche Lokaleffekte. Ihr Celloton grummelt in den tiefen Registern mulmig und wirkt in den hohen Lagen angestrengt. Die Variabilität im Vibratoeinsatz lässt viele Möglichkeiten offen, die Bogenflexibilität auch. Also klangen die drei Fauré-Stücke zu Beginn nahezu gleich in Ansatz und Bewältigung. Brahms' e-Moll-Sonate zerfiel in episodische Einzelheiten, die Fuge geriet allzu lärmig. Dvořáks Melodie "Als die alte Mutter" litt an heftiger Vibratoritis. Rachmaninows Sonate gelang pianistisch hervorragend, während sich Camille Thomas vor allem verausgabte. Einzig in Ysaÿes Solosonate deutete sie an, dass sie mehr zu sagen haben könnte als an diesem Abend. Dazu sollte sie sich aber ihr outriertes Geräkel und Ausdrucksgrimassieren beim Spielen dringend abgewöhnen.

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