Kurzkritik:Dunkle Abgründe

Der kroatische Pianist Ivan Krpan im Herkulessaal

Von Andreas Pernpeintner

Was bei Ivan Krpans Interpretation von Ludwig van Beethovens Klaviersonate op. 90 im Herkulessaal sofort auffällt, ist seine akkurate Tongebung. Kerzengerade sitzt er vor der Klaviatur und zelebriert mit den Fingern sehr deutliche Bewegungen. Das sieht etwas kantig aus, klingt aber nie spröde. Krpans Klang ist klar konturiert. Mit größtmöglicher Sorgfalt behandelt er hierfür auch das Pedal, dosiert es erfreulich spärlich, wechselt in manchen Passagen derart exakt, dass jede Note ihren eigenen Pedalimpuls erhält.

Krpan erzeugt auf diese Weise einen ausgewogenen Ton. Der trägt ihn hervorragend durch den Kopfsatz und auch durch den ungekünstelt gespielten zweiten Satz mit seiner geradezu Schubert'schen Liedhaftigkeit. Dass Krpan Beethovens Sonate op. 109 anschließt, trägt indes nicht zum interpretatorischen Erkenntnisgewinn bei - im Gegenteil: Die Darbietung wirkt vor allem in den ersten beiden Sätzen weniger gefestigt als bei der op. 90 und im Variationssatz trotz zwischenzeitlich stupender Virtuosität etwas zähfließend.

Umso wirkungsvoller ist das Folgende: Ferruccio Busonis "Sonatina seconda" und Franz Liszts "Après une lecture de Dante, Fantasia quasi sonata" enthalten ihrerseits bereits opulente, kontrastreiche Pianistik. Sie mit Liszts nicht minder intensiven "Pensée des morts" beinahe übergangslos zu einer Art dreisätzigen Riesensonate zu vereinen, macht daraus ein denkbar großes programmgestalterisches Statement. In allen drei Werken tun sich gewaltige dunkle Abgründe auf, und wenngleich sie sich vor allem bei Busoni auch in grüblerischer Kühle artikulieren (der Krpan konzentriert begegnet), nimmt die technisch hochaufgeladene Rasanz mehr und mehr zu - bis zum Dante'schen Getöse.

Aus ist's dann mit Krpans ausgeglichener Ruhe. Jetzt zuckt sein Körper, jetzt tritt er mit großem, breitem Fuß aufs Pedal. Ab und zu tauchen am Horizont Krpans technische Grenzen auf, erreicht oder gar überschritten werden sie aber nicht. Großer Beifall.

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