Kurzkritik:Doppelherz

Songwriter Tom Odell und die Wucht der Liebe in der Tonhalle

Von Bernhard Blöchl

Kann ein Herz in Stereo schlagen? Das sollten Wissenschaftler mal herausfinden. Hört man sich die Songs des südenglischen Wunderburschen Tom Odell an, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als die Frage zu bejahen. Der 26 Jahre alte Songwriter singt hinreißend über alte Liebe, neue Liebe, andere Liebe, über einseitige Liebe, unmögliche Liebe, gefährliche Liebe, über Eifersucht, Klammern und emotionales Entrümpeln. Herzrasen in Stereo. So gesehen könnte es sogar konsequent sein, dass Odell beim Konzert in der Tonhalle gleich mit zwei Drumsets anrückt. Die beiden Schlagzeuger, generell die ganze Rhythmussektion seiner Band, treiben die Klavier-zentrierten Popsongs an, um nicht zu sagen: zertrommeln und zerdröhnen deren fragile Gerüste. Denn das ist das Problem dabei: Zu starkes Herzklopfen vernebelt einem die Sinne, das ist in der Liebe nicht anders als in der Musik.

Der Eindruck, dass es Tom Odell ein bisschen übertreibt mit den ausgebufften Arrangements, hat sich mit dem aktuellen Album abgezeichnet. "Wrong Crowd", die Platte zur Tour, erschien drei Jahre nach dem Platin-Nummer-1-Debüt "Long Way Down". Dieses hatte durch die Konzentration auf Klavier und Stimme Fans und Kollegen wie Billy Joel und die Rolling Stones gleichermaßen verzaubert. Ein Produzentenwechsel, mehrere Fluchten in die USA und viele Zweifel später haben sich Streicher, Elektrobeats und dramatische Überwucht in den Sound geschlichen. Ein bisschen Elton John hier ("Constellations"), etwas Wham! dort ("Silhouette"). Nun ja.

In der gut gefüllten Tonhalle kann Odell zeigen, was er kann. Er singt, als würde sein Herzfeuer morgen für immer erlöschen; er spielt, als hinge sein Leben davon ab. Seine Songs sind Daunendecken im Dauerfrost, in den wenigen ruhigen Momenten wird das besonders deutlich. "Hold Me" dagegen verkommt auf der Protzbühne zum Gitarrenrock-Stampfer, und auch "Wrong Crowd" verpufft im Donnerhall der Trommler. Denn mal ehrlich: Tom Odell mit zwei Drumsets, das ist wie Metallica ohne Strom und Bier. Mindestens irritierend.

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