Kurzkritik:Dicker Schmöker

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Die Münchner Symphoniker mit Schubert, Boccherini und Berio

Von Henrik Oerding, München

Gute Bücher liest man gerne zweimal. Einen ähnlichen Gedanken hatten wohl die Münchner Symphoniker bei der Entscheidung, Schuberts "große" C-Dur Symphonie gleich an zwei Tagen zu spielen. Die wurde nämlich von Robert Schumann wegen ihrer "himmlischen Länge" als "Roman in vier Bänden" bezeichnet. Da Literatur und Musik erst im Kontext wirklich spannend werden, stellten die Symphoniker an beiden Abenden unterschiedliche Werke neben Schuberts Symphonie: Am ersten Abend welche von Ravel und de Falla, am zweiten Abend von Boccherini und Berio.

Wobei Luigi Boccherini eigentlich nur eine untergeordnete Rolle spielte: Die Symphoniker eröffneten das Konzert mit Variationen über den letzten Satz seines Streichquintetts "La musica notturna delle strade di Madrid", die Luciano Berio 1975 komponierte. Das kurze Stück ist als solches nicht besonders aufregend, was aber Chefdirigent Kevin John Edusei durch einen großen dynamischen Bogen, den er vom leisen Einstieg der kleinen Trommel über den Tutti-Höhepunkt und wieder zurück in die Ruhe spannte, ausgleichen konnte. Eigentlicher Höhepunkt des Konzerts waren die dann folgenden "Folk Songs für Mezzosopran und Orchester", ebenfalls von Berio. Als Solistin sang Stefanie Irányi statt der ursprünglich angekündigten Stella Doufexis, die im Dezember 2015 gestorben war. Ihrem Andenken widmeten die Symphoniker die beiden Konzerte.

Irányi zeigte sich bestens geeignet für Berios Volksliedbearbeitungen aus Amerika, Armenien, Frankreich und Aserbaidschan: Mal melancholisch sanft, dann wieder fröhlich aufbrausend, trug sie die Lieder kunstvoll vor. Ganz im Sinne Berios, dem es nicht um die Authentizität der Stücke ging, der stattdessen lieber ihren charakteristischen Ausdruck durch Bearbeitung andeuten und kommentieren wollte. Die Themen der Lieder gleichen oft denen, die man von Schubert kennt: die mysteriöse Nachtigall, der Mond, das Wandern.

Letzteres taucht auch in Schuberts achter Symphonie auf, in der er Erlebnisse aus der Natur verarbeitete. Edusei betonte auch hier die Unterschiede zwischen den eher schwelgerischen und den kräftigeren Passagen - dieses Buch liest man sicher gerne mehrmals.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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