Kurzkritik:Der Mythos lebt

Muffathalle: Fraktus basteln weiter an ihrer Legende

Von Martin Pfnür

Möchte man von den drei Herren im roten Handwerker-Zweiteiler erzählen, die zu Beginn ihres Konzerts von einer salbungsvollen Stimme aus dem Off als "Erfinder des Techno" vorgestellt werden und sich dann per Countdown auf die Bühne zählen lassen, kommt man nur schwer ohne deren Vorgeschichte aus. Die Band Fraktus wird Anfang der Achtziger in Brunsbüttel von Bernd Wand, Dickie Schubert (heute Starshine) und Torsten Bage aus der Taufe gehoben. Eine Karriere, die mit dem visionären Album "Tut Ench Amour" (1982) früh ihren Höhepunkte erreicht, nach diversen Streitigkeiten und einem Brand bei einem Konzert jedoch schnell wieder versandet. "Band ohne Gefühle", nannte man die Formation ob ihres kühlen Sounds, den sie mit Instrumenten wie dem Phlötenphön (einer Kreuzung aus Flöte und Fön) anreicherten.

Fraktus ist natürlich ein auch famoser Fake, den Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Jacques Palminger 2012 mit der Comeback-Mockumentary "Fraktus - Das letzte Kapitel der Musikgeschichte" in die Welt setzten, indem sie in die Charaktere von Schubert, Bage und Wand schlüpften. Wobei, zwei Alben haben die drei als Fraktus nach dem Film ja wirklich veröffentlicht, und in der gut gefüllten Muffathalle stehen nicht Wenige, die zu ihren Stücken komplett ausrasten. Da sind etwa alte Electrotrash-Kracher wie "A.D.A.M.", da sind wuchtige Big-Beat-Interpretationen ("Jag' den Fuchs"), gelungene Kraftwerk-Persiflagen ("Musik aus Strom"), röhrende Vocoder-Stimmen, feine Kaskaden an der Querflöte und ein Bass- und Beatgerüst, das das Trio stets tanzbeinfördernd aus ihren Maschinen schickt. Da ist aber auch ein Stück wie "Schuhe aus Glas", mit dem Torsten Bage die Poesie des Schlagers revolutionierte ("Ich trag Schuhe aus Glas / Hosen aus Blei / Mützen aus Holz"), um vorher zu betonen, dass Fraktus jetzt eine "Band mit Gefühlen" sei.

Gegen Ende rührt man die Werbetrommel für das Anti-Drogen-Computerspiel "Smirkey's Dope House", streitet sich gar fürchterlich, und feuert zur Zugabe souverän die Hits ab: Das lyrisch unsterbliche "Affe sucht Liebe" als Dancefloor-Version ("Affe sucht Liebe / Affe sucht Halt / Affe sucht Wärme / sonst wird Affe kalt"), dann der "Supergau" mit diesem Muschelsound, den ihnen Westbam in seiner Love-Parade-Hymne "Sonic Empire" stibitzte. "Ich will raus / aus diesem Irrenhaus!", ruft Dickie Starshine noch in ein gewaltiges Soundgewitter hinein, dann sind sie weg. Der Mythos lebt.

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