Kurzkritik:Chaos ordnen

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"King Crimson" in der Philharmonie

Von Jürgen Moises, München

Meine Grabinschrift, sie wird "Verwirrung" heißen. So in etwa ließe sich der zentrale Satz aus dem King Crimson-Song "Epitaph" übersetzen. Und auch wenn dieser aus dem Jahr 1969 stammt und sicher ganz anders gemeint war, lässt er einen irgendwie an Donald Trump denken. Er passt auf jeden Fall gut zum Tourtitel "Uncertain Times", unter dem King Crimson in achtköpfiger Besetzung in der ausverkauften Philharmonie spielten und mit dem sie tatsächlich auch selbst auf unsere chaotische Gegenwart verweisen.

Aber nicht nur das Motto und die Texte klingen gegenwärtig. Sondern auch der komplexe, oft melancholische und zuweilen sehr düstere Sound der britisch-amerikanischen Progressive-Rock-Legende um den Gitarristen Robert Fripp. In der Philharmonie sitzt er rechts oben auf einem Hocker, wirkt ruhig und konzentriert, ab und zu meint man aber auch ein schelmisches Lächeln zu erkennen. Musikalisch steuert er metallisch klirrende Riffs bei, die genauso wie die ständigen Breaks und Tempiwechsel oder komplizierten Schlagzeugrhythmen die Blaupause für unzählige Prog-Rock- oder Metalbands bildeten.

Für die nötige Dynamik sind mit Pat Mastelotto, Gavin Harrison und Jeremy Stacey gleich drei Schlagzeuger zuständig. Was etwas angeberisch wirkt, aber tatsächlich klug genutzt wird, etwa wenn der Grundrhythmus perkussiv erweitert wird, alle drei bei Stücken wie "Indiscipline" gemeinsam losdonnern oder sich beim Intro zu "Cirkus" ein regelrechtes Drumbattle liefern. Nur ganz selten mal hat man den Eindruck, dass dieser Trommelzirkus die anderen, allesamt virtuosen Musiker - Michael Jaksyk an Mikrofon und Gitarre, Tony Levin am Bass, Mel Collins an Saxofon und Flöte und Bill Rieflin am Keyboard - unnötig überdeckt. Von "Moonchild" über "Starless" bis zum wavigen "Easy Money" werden in drei Stunden alle wichtigen King-Crimson-Phasen angeschnitten, bis einen der Klassiker "21st Century Schizoid Man" als Zugabe in die verrückte Gegenwart zurück holt.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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