Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Beziehungsreich

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Die Münchner Symphoniker unter Reinhard Goebel

Von MICHAEL STALLKNECH T, München

Seit im Jahr 2013 Annette Josef Intendantin und im Jahr darauf Kevin John Edusei Chefdirigent geworden ist, hat sich bei den Münchner Symphonikern viel bewegt. Die Programme sind ebenso interessanter geworden wie die Auswahl der Dirigenten. Nun haben beide zum ersten Mal den Alte-Musik-Guru Reinhard Goebel eingeladen, bekannt als unermüdliches Trüffelschwein in den musikalischen Schatztruhen des 17. und 18. Jahrhunderts. Natürlich kann auch er einem auf modernen Instrumenten spielenden Orchester nicht über Nacht alle Raffinessen der historischen Aufführungspraxis vermitteln.

Ludwig van Beethovens Erste Symphonie zum Ende des Sonntagnachmittags im Prinzregententheater klingt frisch, doch im Klangbild durchaus noch traditionell. Aber Goebel hat unter dem Titel "Beethovens Welt" ein beziehungsreiches Netz von Stücken mitgebracht, die man sonst nirgendwo in Konzerten hören kann: "La Follia di Spagna mit allen Instrumenten" des Mozart-Freundes Joseph von Eybler, in denen sich dem Titel gemäß zu Beginn die Solisten aller Orchestergruppen einzeln vorstellen können, oder Auszüge aus einer Schauspielmusik zu "Hamlet" von Georg Joseph Vogler, der sonst nur als Abbé Vogler durch die Musikgeschichtsbücher geistert. Den aufschlussreichsten Kommentar zu Beethoven aber liefert das Violinkonzert Franz Clements aus dem Jahr 1805, das wie Beethovens einziges Violinkonzert in D-Dur steht und verblüffend ähnliche Figurationen enthält. Kein Wunder, ist Clement doch der Uraufführungssolist auch von Beethovens ein Jahr später uraufgeführtem Konzert. Die Geigerin Mirijam Contzen verleiht mit ihrem strahlenden, intonationssicheren, hell leuchtenden Ton den Figurationen nicht nur den nötigen Virtuosenglanz, sondern bringt auch die Diskantlage des langsamen Satzes zu intensivem Glühen. Dass die Symphoniker dabei nicht arbeitslos werden, dafür sorgt die erstaunlich formsichere symphonische Arbeit des heute unbekannten Komponisten.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2016
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