Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Beschwingend

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Die Violinistin Janine Jansen belebt die Philharmoniker

Von Michael Stallknecht, München

Mehr als zweihundert Mal soll Jörg Widmanns "Con Brio. Konzertouvertüre für Orchester" schon gespielt worden sein - ein echter zeitgenössischer Klassiker. Vor gut zehn Jahren von Mariss Jansons für die BR-Symphoniker in Auftrag gegeben, haben es inzwischen auch die Münchner Philharmoniker und ihr Chefdirigent Valery Gergiev für sich entdeckt. Das Stück hat etwas von einer riesigen Spielzeugeisenbahn, die, obwohl durchaus von zeitgenössischer Brüchigkeit in Faktur und Klangmitteln, unter Trommeln, Pfeifen und Schmettern einfährt und damit Schwung in den Abend bringt.

Schwungvoll ging es denn danach im Gasteig auch mit Max Bruchs Erstem Violinkonzert weiter, in dem Janine Jansen dem Solopart viel Feuer mit auf den Weg gab. Dass die Geigerin über einen großen Farbenreichtum verfügt, sorgt für Abwechslung in dem bekannten Stück. Ihre Höhen strahlen triumphal, die Tiefen glänzen satt, und den zentralen langsamen Satz spielt sie mit einer fast behutsamen Zärtlichkeit, als wiege sie ein Kind in den Schlaf. Für Lebendigkeit sorgt Jansen auch, indem sie die Agogik, das romantische Dehnen und Beschleunigen, durchaus eigensinnig auskostet, was es dem Dirigenten nicht leicht macht. Im ersten Konzert mit dem Programm am Freitag hatte Gergiev mindestens zu Beginn jedenfalls noch einige Schwierigkeiten, ihr zu folgen.

Etwas mehr dirigentische Detailarbeit hätte auch Jean Sibelius' Erster Symphonie nicht geschadet, bei der die Übergänge raffinierter, auch überraschender daherkommen könnten, was zugleich die frühmoderne Brüchigkeit stärker betonen würde. Gergiev verharrt da eher auf eingefahrenen romantischen Bahnen. Auf denen allerdings bewegt er sich mit sicherem Instinkt. Fast ohne Pause lässt er die vier Sätze ineinander übergehen, die der Komponist aus demselben Material entwickelt hat. Daraus entsteht ein großer Bogen, den Gergiev mit einem guten Sinn für Timing punktgenau bis zum strahlenden Schluss spannt.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2019
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