Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Berauschend natürlich

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JeungBeum Sohn gewinnt das Finale beim ARD-Musikwettbewerb Klavier

Von Rita Argauer, München

Die Entscheidung um Platz eins und zwei ergibt sich im Klavier-Finale des ARD-Wettbewerbs wohl noch am ehesten aus der Begleitung des Orchesters. Denn rein spielerisch zeigen Wataru Hisasue aus Japan, Fabian Müller aus Deutschland und der Südkoreaner JeungBeum Sohn im Final-Konzert jeder für sich spannende Besonderheiten. Hisasue etwa beeindruckte noch im Semi-Finale hauptsächlich durch die blitzende Interpretation des Auftragswerks, für die er nun auch ausgezeichnet wurde. Tschaikowskis erstes Klavierkonzert spielt er im Finale jedoch eher verhalten. Die rauschenden Töne vereinzelt er, bis sie zum Teil fast einen jazzigen Einschlag bekommen. Das klingt modern und eigen. Nur leider funktioniert das im Zusammenspiel mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nicht. Dirigent Michael Francis ist seinen Solisten zugeneigt, er möchte sie abholen und ihnen möglichst viel Energie mitgeben. Doch Hisasue spielt mehr für sich alleine. Nach dem pompösen Einstieg im Kopfsatz drosselt er das Tempo - im Alleinspiel würde das vielleicht Sinn ergeben, zusammen mit dem Orchester klingt es verschleppt. Es fehlt die Linie im Zusammenspiel. Seine Drittplatzierung ist gerechtfertigt.

Denn in der Orchester-Begleitung von Fabian Müller mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 zeigt sich anschließend, wie wichtig die Aufmerksamkeit des Solisten um seine Begleiter ist. Müller gestaltet die Solo-Stimme ein bisschen verkopft, aber herrlich geplant und genau im Anschlag. Müllers Spiel ist kontrolliert, akkurat, aber hoch sensibel auf das Stück abgestimmt. Das Orchester steigt darauf ein und geht kleinste Facetten dieses Planwerks mit. Müller zeigt weniger ansteckende Spiellust, aber besticht durch einen präzisen und sehr detailreichen Gestaltungswillen. Dafür bekommt er den Publikumspreis.

Der ersten Preis der Jury aber geht an JeungBeum Sohn. Seine ungemein souveräne und natürlich fließende Interpretation von Tschaikowski absolviert er mit der brillanten Technik, die er schon im Semi-Finale zeigte. Sein interpretatorischer Sprung von Mozart zu Tschaikowski jedoch ist gewaltig: Die Musik rauscht dahin, voller Farben und Feuerwerk. Die Entscheidung zwischen Müller und Sohn um den ersten Platz ist keine einfache.

Beide spielen zwar komplett unterschiedlich, aber jeder für sich ist überzeugend. Letztlich prämierte die Jury das Berauschende und gleichsam Natürliche in Sohns Spiel.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2017
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