Kurzkritik:Bach Street Boy

Hans Liberg 'Attacca'

Energieriegel aus Holland: der Musiker Hans Liberg.

(Foto: Thomas Mayer)

Der fulminante Musiker und Komiker Hans Liberg

Von Thomas becker

Irgendwann hat es Hans Liberg geschafft: Man traut keinem Lied mehr über den Weg. Ganz genau hört man jetzt hin, wartet nur darauf, bis das Lied, dieses Luder, mal wieder fremdgeht, mittendrin unsachgemäß abbiegt und zu einem komplett anderen wird. Eben noch "Pink Panther", plötzlich "Satisfaction", gerade noch Chopin, auf einmal "Cheek to cheek", Bachs Toccata wird zu "Hit the road, Jack". Den Klaviervirtuosen Liberg kostet das ein kleines Fingerspiel, und schon reibt sich der Zuschauer verwundert die Ohren: Wie nah doch Brahms' C-Dur Sonate und Andrew Lloyd Webbers "Don't cry for me, Argentina" beieinander liegen!

Der Holländer Hans Liberg ist Anfang 60, seit knapp 35 Jahren im Geschäft, Emmy-Gewinner, studierter Musiker und ein wunderbarer Entertainer - eine Talentsammlung, die wahrlich nicht jedem gegeben ist. Das aufgekratzte Publikum im Prinzregententheater begeistert er mit seinem Programm "Attacca": indem er "Sachen verbindet, die nicht zueinander passen". Sein Thema: "Was ist original und was wurde von anderen gestohlen?" Und das läuft so: Liberg spielt ein paar Töne an, wartet, bis das Publikum das Stück erkannt hat oder gar mitsingt - um es dann auf eine andere, falsche Fährte zu führen. Die Auswahl der Raubstücke ist dabei so breit angelegt, dass auch Menschen ohne Musikstudium oder Klassik-Abo ihren Spaß haben. Der Treibauf in Turnschuhen und apricotfarbenem Anzug, eskortiert von zwei ebenso fulminanten jungen Burschen an Kontrabass und Schlagzeug, lässt einem keine Sekunde Pause, fordert Interaktion ein, reicht zum Selbstversuch auch mal ein Alphorn ins Publikum, hat keine Angst vor Kalauern ("Bach Street Boys").

Im Mittelpunkt steht aber die Musik, mal als Free-Jazz-Verarsche, One-Note-Samba oder als Luftgitarren-Schrammelei mit Schnuller im Mund. Liberg macht sich mit seinen Spinnereien auch zum Affen, Hauptsache, das Publikum fühlt sich gut unterhalten. Schwer vorstellbar, dass dieser Energieriegel mal für zwei Minuten die Finger ruhig hält. Ein Stück lässt er dann aber doch mal in Ruhe: Ravels "Bolero". Da rauscht die Drei-Mann-Combo wie ein komplettes Orchester, schön geradeaus, ohne abzubiegen.

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