Kurzkritik:Aus einem Guss

Das Baskische Nationalorchester

Von Paul Schäufele

Die Heine-Vertonungen des Spaniers Pablo Sorazábal sind ein echtes Wunder: Schwer vorstellbar, dass ein anderer Komponist die Texte des romantique défroqué auf groteskere Weise fehlgedeutet hat. In Verbindung mit Mojca Erdmanns schwerem, vibratoreichen Sopran würden diese mit spanischem Lokalkolorit imprägnierten Schmachtfetzen vollends unerträglich, leistete das Baskische Nationalorchester unter Robert Trevino nicht Großartiges. Edward Elgars Enigma-Variationen werden zu dem, was sie 1899 so aufregend gemacht hat: vielschichtige, brillante Musik, der bisweilen rätselhafte Einzug des Privatlebens in die Partitur.

Um dieses Rätsel zu lösen, das dem Werk zugrunde liegt, ist viel Tinte aufs Papier geflossen. Trevino und sein Orchester lüften den Schleier zwar nicht, präsentieren das Werk aber mit bemerkenswertem Sinn für die rapiden Stimmungsbrüche - die Effekte (Paukenknall und kreischende Violinskalen) auskostend, nie plakativ. Dass das Variationenwerk nicht zerfasert, sondern wie aus einem Guss wirkt, ist dem intelligenten, sparsam-strukturalistischen Dirigat Trevinos zu verdanken.

Zu durchsichtig, zu präzise, zu geplant wirkt Mahlers vierte Symphonie. Wo jeder Tempowechsel und jede Crescendogabel unter die Lupe genommen wird, ist wenig Raum für spontane Entwicklungen. Doch gerade dieses so harmlos erscheinende Werk offenbart seine subversive Wirkung erst durch einen gewissen Grad an Zufall. Das Solo des vierten Satzes fügt sich in diese Interpretation, die darin enthaltenen himmlischen Freuden wirken aber, von Erdmann breit ausgesungen, etwas zu irdisch-konkret. Mit Strauss' "Morgen" ist Erdmann ganz in ihrem Fach, singt gelöst und auf lange Linie, bevor Trevino das Publikum mit einem spanischen Reißer, Kastagnettengeklapper inklusive, hinauskomplimentiert.

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