Kurzkritik:Aufgebügelt

Das zauberhafte Musical "Big Fish"

Von Christiane Lutz

Der Ärger zuerst: Warum hat sich keiner der Studenten der Theaterakademie dagegen gewehrt, dass die Frauen in dieser Produktion als sexy Patriotinnen dargestellt werden? Als beflissene Studentinnen, die sich ihr Studium sparen könnten, weil sie nur darauf warten, geheiratet zu werden und ihrem Mann dann die Wäsche zu bügeln? Und ja, es steht wirklich ein Bügelbrett auf der Bühne, an dem die bedauernswerte Sandra (Teresa Weber) auch noch bügeln muss. Diese Rollenklischees kleben wie Kaugummi am Genre Musical. Auch da, wo es für die Geschichte überhaupt nicht nötig ist.

Ärgerlich! Denn: Eigentlich ist die Inszenierung von "Big Fish" von Andreas Gergen ganz wunderbar und Hauptdarsteller Benjamin Oeser eine Wucht. Es handelt sich dabei um die europäische Erstaufführung eines Musicals, das wiederum auf einem Film von Tim Burton basiert: Edward Bloom ist ein großen Erzähler, sein Sohn Will ein kritischer Zuhörer. Will (Matias Lavall) ist genervt von Edwards (Benjamin Oeser) redundanten Abenteuergeschichten, in denen er selbst stets der größte Held ist. Es sind Geschichten von traurigen Riesen, Nixen, Zirkusdirektoren, die sich nachts in Werwölfe verwandeln.

All diese Figuren tauchen aber dann tatsächlich in Wills Leben und auf der Bühne von Sam Madwar auf. Sogar um den Riesen hat man sich an der Theaterakademie nicht gedrückt, der stapft als gigantische Vier-Meter-Puppe mit Zottelbart herein (drin steckt Robert Lankester). Rasend schnelle Kostümwechsel und perfekt einstudierte Tricks lassen wirklich so etwas wie Magie auf der Bühne entstehen, was im Film so leicht, im Theater hingegen so unglaublich schwer gelingt. Klug auch, das Bühnenbild an einigen Stellen durch Projektionen zu ersetzen (ebenfalls Sam Madwar): Bilder von Narzissenwiesen, Südstaatendörfchen, der New Yorker Skyline und ein Skype-Gespräch mit dem Riesen Karl erzeugen eine angenehme Portion filmischen Realismus. So ideenreich, so liebevoll, so frisch hat selbst das Deutsche Theater lange kein Musical mehr hinbekommen.

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