Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Auf den Punkt

Lisa Catena leistet Schweizer Wertarbeit in der Lach und Schieß

Von Oliver Hochkeppel

Ob direkte Demokratie nach Schweizer Modell bei uns funktionieren würde, darf man bezweifeln. In jedem Fall funktioniert sie dort als Ventil für politische Frustrationen - was man schon daran sieht, dass es in der Schweiz keine Tradition des Politkabaretts gibt. Von Franz Hohler und Emil Steinberger bis zu "Les Reines Prochaines" und "Ohne Rolf" ist die Kleinkunst der Eidgenossen eher literarisch, poetisch und fantasievoll geartet - bis hin zum Schrillen und Schrägen. Das weiß natürlich auch die Bernerin Lisa Catena, die es nun trotzdem mit einer sanften Form des klassischen Polit-Kabaretts versucht. Wobei sie sich dabei mehr auf Deutschland als auf das eigene Land konzentriert.

So stellte Lisa Catena ihr neues Soloprogramm "Grenzwertig" nicht zuerst in Bern oder Zürich, sondern in Nürnberg und München vor. Wie der Titel schon andeutet, setzt es auf den Charme des pointierten Ländervergleichs, vom Umgang mit Fremden und Flüchtlingen bis hin zum Wilhelm-Tell-Befreiungs-Mythos: "Wir haben uns viel erspart dadurch, dass wir den Österreicher verjagt haben - aber wem sage ich das." Vieles ist völlig kompatibel und für Deutsche wie Schweizer gleich witzig, etwa Catenas "Phrasomat", der dreistufig mit farbigen Kärtchen und Gesten sinnentleertes Politiker-Kauderwelsch erzeugt.

Die studierte Gitarristin, die früher in Punkbands spielte und auch ein Chanson-Programm gemacht hat, findet bis zum Schluss ihre Dramaturgie und nutzt solide Recherche ebenso wie die eigene Biografie als Tochter von Hippie-Eltern. Wenn sie mit dem Bild vom "Spinner mit einem Weltuntergangsschild am Bahnhofsplatz" den gesteigerten Wahnsinn der Medien auf den Punkt bringt oder ganz im Ernst den Humor als Waffe gegen Extremismus und Terrorismus preist, dann erinnert das an den intelligenten Furor, wie ihn am Abend zuvor auf derselben Bühne der Lach- und Schießgesellschaft HG Butzko entfacht hatte. Was nicht das schlechteste Kompliment für Lisa Catena ist.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2016
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