Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Alltags-Porno

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Autorenlesung wird zur Ralf-König-Werkschau

Von Oliver Hochkeppel, München

Sex macht zwar Spaß, ist aber an sich, um es ganz klar zu sagen, eher nicht witzig. Und so sind die immer um dieses Thema kreisenden Comics von Ralf König nicht deshalb so lustig, weil die Sache in Wort und Bild so radikal ehrlich und drastisch daherkommt. Sondern weil das nur die Folie ist, auf der mit all den Klischees und Missverständnissen drumherum gespielt wird. Es sind eben auch keine "Schwulencomics", wie oft und gerne behauptet wurde, sondern Bildromane rund ums Triebleben und die von ihm gestifteten Beziehungen, in denen Heterosexualität eine gleich wichtige Rolle spielt.

Wenn König seine Geschichten zu Leinwandprojektionen selbst liest wie jetzt im Vereinsheim, wird es im übrigen noch lustiger. Für einen seit Jahrzehnten in Köln lebenden Westfalen ist seine hochdeutsche Sprecherstimme erstaunlich, er grenzt die Figuren sehr schön ab, kann wie wenige Autoren seine Dialoge geradezu filmisch vermitteln und - mit der Zugabe "Macbeth und Hoppenstedt" demonstriert - sogar Loriot-Figuren täuschend echt parodieren. Es wäre ein Jammer gewesen, hätte ihn nicht einst die lange in München wirkende Programmmacherin und Agentin Ruth Oppl auf die Idee gebracht (und den Widerspenstigen sanft gezwungen), solche Lesungen zu machen.

Wie "normale" Romanautoren, so kann auch König seine Bücher nur gerafft und auszugsweise vorstellen. Dafür tat er das im Vereinsheim gleich mit mehreren. Nach einem Vorgeschmack auf seine gerade erst erschienene "Pornstory", in der es - autobiografisch angehaucht und an einer Durchschnittsfamilie und ihres Bekanntenkreises vorexerziert - um die omnipräsente Rolle der Pornografie geht, kam wie im Programm ausgewiesen "Raumstation Sehnsucht" dran, in dem die Figuren in die Plots von mehreren Tennessee-Williams-Stücken hineinstolpern - was ihm auch wunderbare Persiflage-Bilder aus den berühmten Verfilmungen ermöglicht. Weil die Hauptfiguren wieder sein über Jahrzehnte verfolgtes schwules Pärchen Konrad und Paul sind, flicht König auch deren Vorgeschichte aus früheren Büchern ein. Zusammen mit zwei abschließenden kleinen, ebenfalls saukomischen Weihnachtsgeschichten ergab das fast eine kleine Werkschau.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2015
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