Kurzfilm:Jay-Z geißelt US-Drogen-Politik

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Junge, schwarze Männer als Teufel: In dem auf der Webseite der New York Times veröffentlichten Video kritisiert Rapper Jay Z die amerikanische Anti-Drogen-Politik als rassistisch. (Foto: NYT/Jay Z, Molly Crabapple, Jim Batt, Kim Boekbinder, Dream Hampton)

Crack - eine "schwarze" Droge? In einem Video erklärt Rapper Jay-Z den rassistischen Irr- und Wahnsinn der amerikanischen Anti-Drogen-Politik.

Von Juliane Liebert

Es ist ein hübscher Film, in dem Rapper Jay Z gegen Amerikas Anti-Drogen-Politik protestiert. Die Bilder steuert die New Yorker Künstlerin Molly Crabapple bei, die bereits die Griechenlandkrise eindrucksvoll illustriert hat. Für den Kurzfilm "A History of the War on Drugs from Prohibition to Gold Rush" wirft sie mit dem Kohlestift Zeichnungen aufs Blatt: Stadtviertel, die zu Problemvierteln werden, junge Afroamerikaner, die plötzlich unter Generalverdacht stehen (hier greift Crabapple zum Farbstift, um ihren Protagonisten rote Teufelshörner zu malen), überfüllte Gefängnisse, in denen die Häftlinge mehrheitliche Schwarze und Latinos sind. Das Ganze wird erzählerisch begleitet und kommentiert von Jay Z. Die Folgen der amerikanischen Anti-Drogen-Politik, die er referiert, sind nicht neu, aber gut aufbereitet. Jay Z zeigt auf hübsche Weise, was im Grunde alle wissen: Die Realität ist gar nicht hübsch.

1971 erklärte der damalige US-Präsident Richard Nixon Drogenmissbrauch zum "Staatsfeind Nummer 1" und unterschrieb den "Comprehensive Drug Abuse Prevention and Control Act" - Gesetze, die eingeführt wurden, um gegen Drogendealer und -konsumenten vorzugehen. Bereits 1973 wurden jedes Jahr 300 000 Menschen festgenommen. Ein Großteil von ihnen Afroamerikaner. Nach wie vor ist der Anti-Drogen-Krieg Hauptursache dafür, dass es in den USA in Bezug auf die Gesamtbevölkerung mehr Inhaftierte gibt als in der restlichen Welt - Amerika übertrifft hier sogar totalitäre Staaten wie Iran.

Das Video greift indirekt eine These auf, die manche in der schwarzen Community schon länger vertreten: dass der "War on Drugs" ein politisches Mittel war, um linke Protestierende und Schwarze niederzuschlagen. Der frühere Berater Nixons, John Ehrlichman, hatte 1994 in einem Interview im Harper's Magazine erklärt:

Die Nixon-Kampagne 1968 und das Weiße Haus unter Nixon hatten zwei Feinde: die pazifistische Linke und schwarze Bürger. (...) Wir wussten, dass wir es nicht verbieten konnten, gegen den Krieg oder schwarz zu sein, aber wir konnten die Öffentlichkeit dazu bringen, Hippies mit Marihuana und Schwarze mit Heroin zu assoziieren. Indem wir beides kriminalisierten, konnten wir diese Communities auseinanderreißen. Wir konnten ihre Führungspersönlichkeiten inhaftieren, ihre Wohnungen durchsuchen, ihre Versammlungen auflösen und sie Nacht für Nacht in den Abendnachrichten verunglimpfen. Wussten wir, dass wir logen, was die Drogen betraf? Natürlich wussten wir das.

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Der Anti-Drogen-Krieg wurde seit Nixon unter jedem Präsidenten fortgesetzt - die Ergebnisse sind katastrophal. Weder der Drogenkonsum noch die Drogenkriminalität sind zurückgegangen. Dafür sind ironischerweise gerade die Preise für harte Drogen wie Heroin und Kokain dramatisch gefallen. Der Fokus auf Drogenkriminalität behindere zudem die Aufklärung von Kapitalverbrechen, weil Polizisten mehr Prestige für die Festnahmen von Dealern zu erwarten haben als für die Aufklärung eines Mordes. Und das rigide Durchgreifen schon bei kleinsten Drogenvergehen zerstört Leben und schadet dem Verhältnis von Polizei und Bevölkerung .

Crack gilt als "schwarze" Droge - obwohl Daten etwas anderes belegen

Zudem, so Jay Z im Video, würden Schwarze und Latinos mit höherer Wahrscheinlichkeit als Weiße bestraft, wenn sie Crack konsumierten oder verkauften - obwohl Weiße häufiger Crack konsumierten und verkauften. Crack gelte bis heute als "schwarze" Droge, obwohl Daten etwas anderes belegten. Seine letzten Sätze sind: "Die Zahlen sind so hoch wie 1971, als Nixon seinen sogenannten Krieg erklärte. 45 Jahre später. Es ist Zeit, unsere Politik und Gesetze zu überdenken. Der Krieg gegen die Drogen ist ein gewaltiger Fehlschlag."

Das Skript des von der New York Times veröffentlichten Filmes hat Jay Z selbst geschrieben. Inzwischen hat auch US-Senator Bernie Sanders seine Unterstützung für das Anliegen des Rappers zugesagt. Jay Zs Augenmerk liegt verständlicherweise auf dem Thema, das ihm am nächsten ist: Rassismus. Für andere Auswüchse des gnadenlosen Anti-Drogen-Kampfes der amerikanischen Polizei ist kein Platz in seinem vierminütigen Clip. So werden junge Menschen, die wegen kleinerer Drogenvergehen auffällig werden, nicht selten als Spitzel eingesetzt - ein lebensgefährlicher Job.

In North Dakota wurde 2014 der Student Andrew Sadek mit einer Schusswunde im Kopf und einem Sack Steinen auf dem Rücken in einem Fluss gefunden. Er war 20 Jahre alt und ursprünglich festgenommen worden, weil er kleine Mengen Marihuana verkauft hatte. Die Polizei drohte ihm mit 40 Jahren Haft, wenn er kein Informant würde. Nach seinem Tod versuchte die Polizei die Eltern Sadek zu überzeugen, Andrew habe sich selbst umgebracht.

Er ist eines von vielen Opfern in diesem "Krieg". In der Fernsehserie The Wire drückt es Detective Ellis Carver (gespielt von Seth Gilliam) so aus: "Man kann diesen Dreck nicht mal einen Krieg nennen. Kriege enden."

"Es gibt nur einen Krieg gegen Drogenabhängige"

Auch der auf Suchterkrankungen spezialisierte Arzt Gabor Maté hält die amerikanische Anti-Drogen-Politik für verfehlt. In seinem Buch "Capitalism Makes Us Crazy" schreibt er: "Es kann keinen Krieg gegen Drogen geben, denn man kann keinen Krieg gegen unbelebte Objekte führen. Es gibt nur einen Krieg gegen Drogenabhängige. Was bedeutet, dass wir gegen den schwächsten und verletzlichsten Teil unserer Bevölkung kämpfen."

Linktipp: Hintergründe zum Thema bietet auch Melissa Harris-Perrys Artikel beim Blog The Undefeated. Sie zeigt, wie schwarze Frauen im amerikanische Anti-Drogen-Krieg leiden.

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