Aktionskunst: Klara Lidén:Anschmiegsame Architektin

Ist die Aktionskünstlerin Klara Lidén aufmüpfig oder nur besonders gut angepasst? Und sollte man begabte Künstler überhaupt als Stars von morgen inszenieren? Eine Bonner Schau - in Bildern.

Catrin Lorch

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Quelle: SZ

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Ist die Aktionskünstlerin Klara Lidén aufmüpfig oder nur besonders gut angepasst? Eine Bonner Schau zeigt ihre Werke.

Die Seine. Eine Brücke. Ein Stück Uferstraße. Wieder die Brücke. Und die Seine. Die Bilder sind krisselig. Aber nicht so, dass man sie pointillistisch nennen könnte oder impressionistisch. Die große Halle des Bonner Kunstvereins ist abgedunkelt, auf insgesamt acht Projektionsflächen zeigt die Künstlerin Klara Lidén solche Diafolgen; Stills aus ihren Videofilmen, die sie aber nicht in der richtigen Reihenfolge in die Karussells der Projektoren gesteckt hat. Das fällt auf, wenn sie selbst auftritt, einen weiß gestrichenen Pilaster hinaufklettert wie ein Klammeräffchen oder von einer Toilette stürzt. Sie kommt nicht an, bleibt hängen in den endlosen Schleifen ruckelnder Lichtbilder, die so rau wirken, als habe die Künstlerin die Realität in zerkratzte Einmachgläser umgetopft.

Text: Catrin Lorch/SZ vom 7.12.2010

Alle Abbildungen aus: "Klara Lidén: Rumpfflächen und Plünderungen" im Bonner Kunstverein bis 30. Januar. Zum Ausstellungsende erscheint ein Katalog. Info: www.bonner-kunstverein.de

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Quelle: Foto: Simon Vogel

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Dann steht man in einem kleinen, hellen Kabinett vor diesen Mülleimern, die Klara Lidén an den Orten eingesammelt hat, die das Deutsch der Kuratoren als den "öffentlichen Raum" apostrophiert.

Klara Lidén: Installation aus 10 Mülltonnen (detail) Installationsansicht: blauorange Kunstpreis der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2010, Bonner Kunstverein

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Quelle: Foto: Simon Vogel

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Kuratoren mögen die Kunst der im Jahr 1979 in Stockholm geborenen Klara Lidén, die in Berlin lebt. Nicht nur weil sie sich Interviews entzieht, gilt sie als unangepasst. Die meisten Arbeiten tragen anstelle eines Titels nur das einsilbige "Untitled", zuweilen ergänzt um einen konkreten Begriff wie "Trashcan". In einem ihrer seltenen Statements stellt sie sich selbst vor als "arme Architektin, die sich mit dem Problem existierender Strukturen in der Stadt auseinandersetzt, ein Teil von mir ist diese Amateurtänzerin oder Performerin, die der Tätigkeit des Bauens Ideen von Rhythmus zurückgeben will, oder die Idee der Wiederaneignung der gebauten Umwelt."

Kara Lidén:  Installation aus 10 Mülltonnen Installationsansicht: blauorange Kunstpreis der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2010, Bonner Kunstverein

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Quelle: SZ

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Und sagt, neben Interventionen in Galerien und Museen habe sie "beispielsweise für ein Jahr einen Gratis-Postdienst in Stockholm eingerichtet, ein unterirdisches Haus auf einem städtischen Grundstück in Berlin gebaut, Werbung aus Innenstädten entfernt, Musik mit den Hausschlüsseln gemacht".

Klara Lidén, o. T.

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Quelle: Foto: Simon Vogel

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Klara Lidén muss derzeit etwas expliziter werden, denn ihre Einzelausstellung "Rumpfflächen und Plündererbanden" im Bonner Kunstverein zeigt sie als Trägerin des mit 20000 Euro dotierten Blauorange-Preises der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, zudem steht sie auf der Shortlist des Preises der Nationalgalerie in Berlin und wurde gerade in einer Einzelschau in der Londoner Serpentine Gallery geehrt, die vom einflussreichen Kurator Hans-Ulrich Obrist geleitet wird. Sie ist also in diesem Jahr der heiß gehandelte Name, auf die sich Ausstellungsmacher, wichtige Galeristen, Museumsleute und Sammler einigen - die so für diese junge Karriere bürgen, für ihre Relevanz; auch wenn Christiane Rekade von der Blauorange-Jury im Katalogtext nicht mehr einfällt zu den Werken als zu fragen "Che Fare (Was Tun?)", weil sich derzeit "Künstler wie auch Banken vor offenen Entscheidungen und prekären Situationen sehen".

Klara Liden: Diaprojektionen Installationsansicht: blauorange Kunstpreis der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2010, Bonner Kunstverein

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Quelle: Foto: Simon Vogel

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Eine Frage wäre, wie weit man begabte Künstler überhaupt als Stars von morgen inszenieren sollte. Die Szene verlangt nach saisonal neuen Karrieren. Die müssen eher konsensfähig als eigenartig oder vielversprechend sein - und es nützt Klara Lidén sicher, dass ihr Werk universal einsetzbar ist. Wo Klara Lidéns Skulpturen gelingen, packen sie unsere Vorstellung vom Wohnen auf einen Sockel und kneten daran herum. Die an die Wand genagelten Mülleimer haben eine starke Präsenz; sicher, so meint man als Betrachter, hinterlassen diese brav ihr Maul aufsperrenden Tonnen eine Leerstelle, so sie abmontiert wurden, man denkt unwillkürlich an die Spaziergängerin, die vielleicht in genau diesem Moment ratlos in Stockholm steht, mit dem leeren Kaffeebecher in der Hand. Doch allzu lange darf sich dieses hoch gesetzte Werk eben auch nicht mit Überlegungen aufhalten - es muss wachsen, international einlösen, was man an Aufmerksamkeit und Förderung investiert hat, bereit stehen für Biennalen und Kunstmessen. Gut also, dass Klara Lidén auch filmt und ihr amateurhafter Exhibitionismus attraktiv aussieht.

Klara Lidén: Diaprojektionen Installationsansicht: blauorange Kunstpreis der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2010, Bonner Kunstverein

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Quelle: Foto: Simon Vogel

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Wo sie auf dem Boden herumrollt oder durch Vorortzüge tobt, hinterlässt sie hübsche Motive. Natürlich sind die schwarzweißen Dias pure Nostalgie. Warum sollte man ein rasch gedrehtes Video in komplizierten Arbeitsschritten wieder in eine Folge von Einzelbildern aufschlüsseln, wenn es nicht genau um diesen Retro-Effekt ginge, um die Aura der Kunstgeschichte, die hier im rhythmischen Klackern der Diakarussells "Konzeptkunst" souffliert, die Aura von abgesicherter Avantgarde der siebziger Jahre, als Bruce Nauman exaltiert sein Atelier durchquerte und Bas Jan Ader sich von Bäumen stürzte. Warum noch einmal? Es ist keine Kunst im Entstehen, die von den international besetzten Jurys für preiswürdig befunden wird, sondern die Sicherheit, dass viele mit dieser Kunst etwas werden anfangen können. Einmal prämiert, bleiben viele Künstler bei ihrer Kunst, wie bei einem Markenzeichen. Und dass Klara Lidén sich - kramend und bastelnd und Post austragend - vom Betrieb fernhält, wird nicht ausreichen; ihr Werk hat sich dort, wo es in nostalgischen Video- und Dia-Etüden ausfranst, den Ansprüchen der Verwerter längst angeschmiegt.

Klara Lidén: Diaprojektionen Installationsansicht: blauorange Kunstpreis der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2010, Bonner Kunstverein

© SZ vom 07.12.2010/kel
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