Süddeutsche Zeitung

Kunstszene in Warschau:Loft-Ambiente mit Holzhütte

In Museen und auf Biennalen ist die zeitgenössische Kunst aus Polen erfolgreich. Nun entdecken sie auch die Sammler. Unterwegs in Bars, Altbauwohnungen und umfunktionierten Fabriken der Warschauer Galerieszene.

Astrid Mania

Von solchen Ergebnissen können viele Wirtschaftszweige nur träumen. 14 Prozent der Befragten gaben an, die vergangene Saison sei "viel besser", 29 Prozent, sie sei "besser" als die vorherige verlaufen. Und diese Angaben stammen nicht etwa von Vertretern unglamouröser Boombranchen wie dem Altmetallhandel. Nein, sie stammen von Warschauer Galerien. Natürlich gibt kaum ein Händler schlechte Geschäfte zu. Doch es gibt tatsächlich einige Gründe für die gute Stimmung auf dem polnischen Markt für zeitgenössische Kunst.

Eines darf man nicht vergessen, wie Michal Suchora von BWA Warszawa richtig bemerkt: "Es gibt zweierlei, einen Markt für polnische Kunst und einen polnischen Kunstmarkt." Doch hier wie dort laufen die Geschäfte sehr ordentlich. International steht die zeitgenössische Kunst aus Polen gut da.

Das gilt für alle Genres, nicht nur für die Königsdisziplin in der Vermittlung, die Malerei, mit Galionsfiguren wie etwa Wilhelm Sasnal. Nein, wer Projekte mit kollektivem und sozialem Timbre sucht, denkt gewiss an Pawel Althamer, wer außer Rand und Band geratene Architekturelemente liebt, an Monika Sosnowska. Zofia Kulik rückte mit ihren ideologiekritischen, fotografischen Selbstporträts auf der documenta 12 ganz groß in den Fokus.

Die großen Messen werden immer wichtiger

Doch auch die weniger vermarktbaren Seiten der polnischen Kunst werden einem breiteren Publikum bekannt. Die von Artur Zmijewski kokuratierte Ausstellung "Körper in Aufruhr" etwa, die 2011 in der Berliner DAAD-Galerie stattfand und noch für die Berlin Biennale hoffen ließ, eröffnete den Blick auf die Performance- und Videokunst auch einer älteren Generation.

Und wie sieht es in Warschau selbst aus? Die lokale Galerienszene ist zwar überschaubar, aber rührig. Und sie hat den internationalen Sammler im Blick. Noch, so ist bereits erwähnter Umfrage zu entnehmen, stammen nämlich mehr als die Hälfte der Käufer aus dem Inland. Um auch Käufer jenseits der Landesgrenzen anzusprechen, werden die großen Messen immer wichtiger. "Natürlich ist es am einfachsten, polnische Kunst an polnische Sammler zu verkaufen", sagt Marta Kolakowska von der Galeria Leto. "Aber dank der Messen haben wir nun auch Sammler aus Deutschland, der Schweiz, den USA, Norwegen und Frankreich."

Leto war, wie viele ihrer Kollegen, regelmäßig auf der Viennafair, mittlerweile fährt sie auf die Turiner Artissima - und sie ist nicht die einzige Warschauer Galerie: Le Guern, Piktogramm/BLA und Foksal werden dort im November ebenfalls vertreten sein.

Auf die Londoner Frieze schaffen es nur gut vernetzte Global Player wie Raster oder eben die Fundacja Galerii Foksal - nicht zu verwechseln mit der Galeria Foksal, die Mitte der Sechzigerjahre als öffentliche Institution gegründet wurde. Von deren Reputation als Ort für das Unangepasste und deren Archiv, so wird hinter vorgehaltener Hand erzählt, zehre die Fundacja Galerii Foksal bis heute, deren Gründer, darunter der Leiter der Kunsthalle Basel Adam Szymczyk, aus eben jener nichtkommerziellen Institution kamen.

Und dann wäre da das Gallery Weekend, das die ferneren Sammler locken soll und sich nach einem Probelauf im Vorjahr in diesem September fest etabliert hat. Bei solchen Gelegenheiten zeigen Galerien natürlich, wie sie sich selbst positionieren und wie sie wahrgenommen werden wollen. Konkret heißt das - kaum überraschend - bei Raster und bei Foksal: souverän und international. Raster wird das gerade sehr gefragte Künstlerkollektiv Slavs and Tatars präsentieren; Foksal die Berlinerin und Neugerriemschneider-Künstlerin Kitty Kraus.

Die meisten aber konzentrieren sich auf heimische Künstler. Bei Asymetria, Spezialistin für polnische Fotografie, wird den wunderbar surrealen, von bellmerartigen Puppen bevölkerten Collagen und Zeichnungen von Marek Piasecki gehuldigt. Piasecki, 2011 verstorben, ist zwar in der Sammlung des MoMA in New York vertreten, aber dennoch kaum bekannt. Asymetria residiert im 1928 gebauten "Functional House", das sich zu Warschaus erstem Galeriehaus entwickeln soll und weitere Mieter erwartet. Bereits eingezogen ist BWA Warszawa, die erst im letzten Jahr eröffnete und sich seitdem nach eigener Aussage bestens entwickelt hat.

Ausgesprochen cooles Loft-Ambiente

Im einstigen Arbeiterviertel Praga ist auf einem ehemaligen Fabrikgelände die "SoHo-Factory" entstanden, deren neue Nutzer man wohl der sogenannten Kreativindustrie zurechnen muss. Hierher hat es 2011 die Galerien Leto und Piktogram/BLA verschlagen, in ein ausgesprochen cooles Loft-Ambiente mit Mini-Residency in Gestalt einer integrierten Holzhütte. Piktogram/BLA ist aus einem Magazin und einem nomadisierenden Ausstellungsprojekt hervorgegangen - zurzeit ist dort ein, metaphorisch gesprochen, etwas welkes Blumengebinde von Willem de Rooij zu sehen. Auch Leto widmet sich dem Vegetabilen, in einer kleinen, feinen Gruppenausstellung zum Thema Garten, der dabei zum Ort des Unheimlichen wird.

In der Warschauer Innenstadt erklimmt man dagegen manche Altbauwohnung. Etwa wenn man zu Lokal_30 will, wo die französische Künstlergruppe Société Réaliste anhand von Architektur, Typografie und Sprache das mitunter bittere Verhältnis zwischen Kunst und Politik befragt. Ganz hoch hinauf muss, wer zur Fundacja Profile will, wo Natalia Brandt Fotografien leerer Zoo-Käfige zeigt, deren Symbolgehalt wohl weniger hermetisch als das Dargestellte selbst ist.

Dass diese Galerie, wie viele andere, zugleich eine Stiftung ist, liegt an einer Besonderheit der polnischen Kulturpolitik: Kommerziellen Räumen bleibt der Antrag auf öffentliche Fördergelder etwa für Ausstellungen oder Publikationen verwehrt; Stiftungen aber, die mit einer sehr geringen Kapitaleinlage gegründet werden können, stehen sie zu.

Wer all dem nicht traut, verlässt sich in Warschau auf sichere zweite Standbeine. Die Galerie Czarna hat in ihren neuen Räumen eine von Olaf Brzeskis Künstlerhand ausgestattete Bar eröffnet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1507713
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.10.2012/ihe
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.