Kunstraub:Gestohlen in Verona

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Giovanni Francesco Carotos "Knabe mit Zeichnung". Eigentlich viel zu bekannt, um verkauft werden zu können. (Foto: Getty Images)

Rubens, Caroto, Pisanello, Andrea Mantegna - das Castellvecchio in Verona beherbergt eine der schönsten Gemäldegalerien Italiens. Nun wurde es ausgeraubt.

Von Thomas Steinfeld

Das Castelvecchio ist eine Festung in Verona, unmittelbar am Ufer der Etsch gelegen. Der mittelalterliche Bau beherbergt eine der schönsten Gemäldegalerien Italiens, mit Werken von Tintoretto und Rubens, von Pisanello, Mantegna und Jacopo Bellini. Am Donnerstag wurde dieses Museum überfallen, gegen 19.30 Uhr, als es gerade geschlossen werden sollte. Der bewaffnete Nachtwächter machte seinen ersten Rundgang, und die Alarmanlage war noch nicht angeschaltet, als drei schwarz gekleidete, ebenfalls bewaffnete Männer in das Gebäude eindrangen, die Kassiererin und den Wächter überwältigten und siebzehn Gemälde von den Wänden nahmen. Sie sollen schweigend gearbeitet haben. Die großen Bilder wurden aus ihren Rahmen genommen und gerollt. Mehr als eine Stunde dauerte es, bis die Räuber mit dem privaten Auto des Wachmanns flüchteten. Die Technik des Überfalls ist bekannt. In Italien heißt sie "rapina in villa", weil sie vor allem bei frei stehenden Häusern praktiziert wird. Im Fall des Veroneser Museums gelang auf diese Weise einer der größten Kunstdiebstähle in der Geschichte des Landes.

Der Alarm wurde erst ausgelöst, nachdem sich Wächter und Kassiererin von ihren Fesseln befreit hatten. Von einem Verlust im Wert von fünfzehn Millionen Euro war danach in einer Pressemeldung der Stadt Verona die Rede. Diese Schätzung ist fiktiv und unangemessen zugleich: Fiktiv, weil diese Gemälde viel zu bekannt sind, um verkauft werden zu können, unangemessen, weil sie genauso gut ein Vielfaches wert sein könnten - das Einmalige lässt sich schlecht schätzen. "Ein Massaker", urteilte Tomaso Montanari, einer der bekanntesten Kunsthistoriker des Landes. Von außerordentlichem Wert sind vor allem vier Gemälde: Pisanellos "Madonna mit der Wachtel", Andrea Mantegnas "Heilige Familie", Jacopo Bellinis "büßender Hieronymus" und Giovanni Francesco Carotos unendlich oft reproduzierter "Knabe mit Zeichnung" (Bild oben). Viele Generationen Veroneser, sagte Montanari, hätten mit diesen Bildern gelebt. Was helfe es angesichts solcher Verluste, wenn der Bürgermeister nun seine Kleider zerreiße?

Denn als die Nachricht vom Überfall Flavio Tosi, den Bürgermeister von Verona, erreichte, eilte dieser noch um Mitternacht ins Museum, um dort vor leeren Wänden zu stehen. Etwas anderes hätte er kaum tun können. Denn das Museum gehört der Stadt, und der Umstand, dass es in jener halben Stunde nur von einem Wachmann behütet wurde, hat etwas mit ihrer Kulturpolitik zu tun: Sie will ihr Geld und ihre Kraft nicht für den Schutz alter Bilder verwenden, sondern verbraucht sie, um die Arena mit einem Dach zu versehen, der Touristen wegen, die sich die "Aida" im Trockenen anschauen wollen. Sie glaubt es zudem für ein "Museum der Liebe" verwenden zu müssen, das im Gedenken an Romeo und Julia errichtet werden soll, oder für eine Ausstellungshalle für moderne Kunst, in der gegenwärtig eine ebenso folkloristische wie beliebige Ausstellung zu Tamara de Lempicka zu sehen ist. "Es war eine Auftragsarbeit", versicherte der Bürgermeister, als ob dieser Satz irgend etwas erklärte, "Sicherheitsmaßnahmen machen Diebstähle nicht unmöglich, so etwas geschieht auch im Louvre." Zur selben Zeit, als der Raubüberfall stattfand, sprach übrigens Dario Franceschini, der für die Kulturschätze Italiens verantwortliche Minister, zur Eröffnung einer Ausstellung in Rom: Sie ist zwei antiken Skulpturen gewidmet, die geraubt und von der italienischen Kunstpolizei gefunden worden waren.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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