Kunstpreis:Städtisches Turnen

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Viel Bewegung an der frischen Luft: Mit einer Kletterpartie am Eingangsportal der Asamkirche stellten Alexis Dworsky (li.) und Andreas Ruby ihr "Urban Trimm Dich"-Projekt vor. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Konzeptkünstler Alexis Dworsky und der Parkour-Sportler Andreas Ruby werden für ihr "Urban Trimm Dich"-Projekt ausgezeichnet

Von Jürgen Moises

Bereits bei der ersten Übung "Kletter Max" gibt es die erste kleine Kontroverse. Denn kurz nachdem Parkour-Sportler Andreas Ruby am Montagmorgen einen der beiden Felsen neben dem Portal der Asamkirche erklommen hat, um dort oben ein paar sportliche Posen auszuprobieren, tritt ein Aufseher aus der Kirchentüre, zusammen mit einer weiblichen Begleitung. Die Frau: "Ich habe dem Herrn von der Aufsicht bereits gesagt, dass ich nicht gut finde, was sie hier tun." Was Ruby tut? Zusammen mit dem Konzeptkünstler Alexis Dworsky das Projekt "Urban Trimm Dich" demonstrieren, oder eher: einen ersten Eindruck davon vermitteln, wie das Projekt, das an diesem Donnerstag in der Whitebox mit dem "Zwei:Eins"-Kunstpreis ausgezeichnet wird, am Ende vielleicht ausschaut.

Tatsächlich steht die endgültige Form von "Urban Trimm Dich" noch nicht fest. "Es könnte ein richtiger Trimm-Dich-Pfad werden", sagt Alexis Dworsky, "eine Trimm-Dich-App oder ein Trimm-Dich-Tutorial auf Youtube". Kontrovers im Sinne eines sportlich-künstlerischen Vandalismus' soll das Projekt, zu dem mit urban-trimm-dich.de immerhin schon eine Website existiert, aber nicht unbedingt werden. Vielmehr geht es Andreas Ruby als Parkour-Sportler darum, im städtischen Raum sein "Grundrecht auf Bewegung" auszuüben. Und für Alexis Dworsky soll das Turnen im Stadtraum Anlass dafür sein, dass man die städtische Umgebung aus neuen, ungewohnten Perspektiven sieht. Etwa indem man, wie es Ruby mit großem Schwung am Rand des Sendlinger-Tor-Platzes demonstriert, von Poller zu Poller springt. Oder, auch diese Übung haben sich Dworsky und Ruby ausgedacht: indem man gemeinsam vor einem AfD-Plakat die Nackenmuskeln lockert.

Das sportliche Hin und Her des Kopfes könnte hier oder alternativ auch vor einer Pegida-Demo eine politische Dimension kriegen. So hat das jedenfalls laut Frank Enzmann auch die 21-köpfige Jury des "Zwei:Eins"-Preises gesehen und das Team Dworsky & Ruby deshalb und wegen der sozialen Bezüge ihres Projekts gegenüber immerhin 20 Konkurrenten-Teams bevorzugt. Enzmann ist Vorsitzender der sozialen Castringius-Stiftung, die wiederum das 20 Stiftungen umfassende Soziale Netzwerk München (SoNet) repräsentiert, welches das "Zwei:Eins"-Preisgeld in Höhe von 12 000 Euro stiftet. Enzmann hat den Preis auch maßgeblich initiiert, hat das "Zwei:Eins"-Netzwerk mit gegründet, das neben weiteren Stiftungsvertretern aus Kuratoren, Galeristen und Künstlern aus München besteht. Diese stammen unter anderem vom Stadtmuseum, der Pinakothek der Moderne, dem Lenbachhaus oder der Villa Stuck, von der Akademie der Bildenden Künste oder der Galerie Nusser und Baumgart. Was sich insgesamt fast wie ein Who-is-who der Kunstszene liest.

Die aktuell 21 Netzwerk-Mitglieder haben zusammen nicht nur den Preis und sein Vergabeverfahren entworfen, sondern sie durften jeweils auch einen Künstler oder eine Künstlerin als Wettbewerbsteilnehmer vorschlagen. Bedingung dafür war, dass die Bewerber eine interdisziplinäre Projekt-Idee entwickeln und der Jury einen geeigneten Kooperationspartner dafür vorschlagen. Bei Judith Egger, die im vergangenen Jahr den ersten Preis gewonnen hat, war das der System-Biophysiker Dieter Braun, mit dem sie noch bis März ihr Gewinner-Projekt realisiert.

Auch Alexis Dworsky und Andreas Ruby können sich für "Urban Trimm Dich" Zeit lassen, 18 Monate sind für die Realisierung eingeplant. Und dass man sie bereits jetzt nur für die Idee zu diesem Projekt prämiert, das findet Dworsky, der an der Münchner Akademie Kunst studiert und bei Bazon Brock über die Kulturgeschichte des Dinosauriers promoviert hat, dann doch recht ungewöhnlich. Tatsächlich werden die meisten der aktuell über 50 Münchner Kunstpreise eher für bereits fertige Werke oder alternativ für das Lebenswerk eines Künstlers verliehen.

Auf die Idee für "Urban Trimm Dich" sei er, sagt Dworsky, durch zwei frühere Arbeiten gekommen, in denen er sich mit dem Thema Blind-Sein künstlerisch beschäftigt habe. Und dabei konkret mit der Frage, wie Menschen mit einer Sehbehinderung den städtischen Raum wahrnehmen. Auch für sie ist die Stadt eine Art Hindernis-Parcours, den sie auf ihre Weise täglich meistern. Ein Parcours, der ansonsten zunehmend kommerzialisiert und öde wird, weil sich das soziale Leben, und dazu gehört eben auch der Sport, immer mehr von Außen nach Innen verlagert. Auch gegen diese Verödung wollen Dworsky und Ruby angehen. Mal sehen, ob ihnen das mit dem Motto "Wir sind zurück und trimmen uns jetzt mitten drin!" gelingt.

Z wei:Eins - Preisverleihung ; Donnerstag, 17. November, 19 Uhr, Whitebox, Atelierstr. 18

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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