Kunstpolitik:Sie bleiben im Museumskeller

Warum ist der Kunstschatz aus Teheran nicht nach Berlin gereist? Die Debatte in Iran über die  geplante Ausstellung war von Misstrauen geprägt.

Von Bahareh Ebrahimi

Bis auf Weiteres wird es keine Ausstellung mit Werken aus dem Teheran Museum of Contemporary Art (TMOCA) in Berlin geben. Geplant war die Schau erst für Dezember, dann für Januar in der Gemäldegalerie. Doch die Iraner schickten die ausgewählten Werke nicht auf Reisen - Staatspräsident Hassan Rohani verweigerte seine Zustimmung. Und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die Veranstalterin der Schau, wollte nicht länger warten. Nach Ablauf einer Frist kündigte sie nun den Vertrag (SZ vom 28. Dezember).

In Iran ist das Vorhaben von vornherein mit mehr Skepsis als Begeisterung beobachtet worden. Es gab erst einmal keine Pressemitteilung von offizieller iranischer Seite. So wussten nur Eingeweihte von der Initiative. Die Nachricht kursierte dann in den sozialen Netzwerken, erst danach berichteten iranische Zeitungen und Nachrichtenagenturen. Schon dies weckte das Misstrauen der Bevölkerung.

Unwillkürlich erinnerte sich die Kunstszene in Teheran an einen geheimen Austausch im Jahr 1994. Da wurde ein Werk aus dem TMOCA, Willem de Koonings "Woman III", ausgetauscht gegen 118 alte persische Miniaturen, die damals im Besitz der amerikanischen Familie Houghton waren. Es handelte sich um 118 Blätter des Schahname, des Königsbuchs und Nationalepos. Der persische Dichter Ferdosi hatte es im 10. Jahrhundert verfasst, die Safawiden-Herrscher hatten es Jahrhunderte später aufs Kostbarste illustrieren lassen.

Erst als amerikanische und britische Medien darüber berichteten, erfuhren die Iraner, dass das Werk von de Kooning ihr Land verlassen hatte. Der Skandal war groß. Die beteiligten iranischen Politiker redeten sich darauf hinaus, dass "Woman III" unter islamischer Regierung ohnehin nicht gezeigt worden wäre.

Als die ersten Nachrichten von der nun geplanten Ausstellung in Berlin durchsickerten, gerieten besorgte Maler, Kuratoren und Kunsthistoriker in Iran erneut in Panik. Warum wussten sie von diesem Vertrag mit einem deutschen Museum nichts? Sie forderten Aufklärung über die Details, einige verlangten auch eine Absage der Schau. Vor allem aber stellten sich Fragen nach Umfang und Zustand der Sammlung, die nur wenige Iraner kennen.

Es gibt immer noch keine offizielle Liste von den gesamten Werken, welche die Schah-Familie, vor allem die Schah-Gattin Farah Diba zusammengekauft hat, und die im Keller des Museums gelagert werden. Etliche wurden nach der Islamischen Revolution nie wieder öffentlich ausgestellt. Einige Museumsmitarbeiter teilten der Presse jedoch mit, dass es eigentlich nur noch drei Werke seien, die man nicht ausstellen könne. Pierre-Auguste Renoirs "Gabrielle mit geöffneter Bluse" sei eines. Bereits der Titel verdeutliche, dass dieses Bild nie in Iran gezeigt werden könne. Auch das Gemälde "Goldenes Zeitalter" des Fauvisten André Derian sei nicht ausstellbar.

Iran ist eine introvertierte Gesellschaft. Beinahe hätte das Land nun seine Verstecke geöffnet

2005 fand unter der reformorientierten Regierung von Präsident Mohammad Chatami eine Ausstellung namens "Die Bewegung moderner Kunst" im TMOCA statt, und Werke der westlichen Moderne wurden zum ersten Mal nach der Revolution gezeigt, darunter Gemälde von Andy Warhol, Henri de Toulouse Lautrec, Vincent van Gogh und Salvador Dalí. Auch das Triptychon von Francis Bacon, das zwei liegende Figuren auf einem Bett mit Begleitung zeigt, war zu sehen - allerdings nur kurz, denn der mittlere Teil war wegen des homosexuellen Motivs zurück in den Keller gebracht worden. Daraufhin hingen nur noch zwei Teile des Triptychons an der Museumswand.

Bei der Planung der Teheran-Ausstellung in Berlin überschnitt sich diese typische Intransparenz Irans mit einer Ablösung des iranischen Kulturministers. Nun war Sejed Reza Salehi der Ansprechpartner dieses Projekts, und er war nach dem Besuch einer Delegation aus Berlin in Teheran Anfang Dezember dem Ausstellungskonzept durchaus gewogen. Am Ende aber lag die Entscheidung beim iranischen Präsidenten Rohani - der eine Nachfrist aus Berlin verstreichen ließ.

Schon in der vergangenen Woche hatte der iranische Künstler Reza Nami der staatlichen Nachrichtenagentur Isna gesagt, so viel Unzuverlässigkeit schade dem Ruf Irans als Kulturnation. Es ist nicht ungewöhnlich in Iran, dass auch große kulturelle Projekte kurzfristig abgesagt werden. Im vergangenen Jahr wurden viele genehmigte Konzerte kurz vor dem Beginn verboten. Wie geht Deutschland mit solch einer Unplanbarkeit um? Vorerst entschied sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegen das Abwarten und für die Absage.

Der Schatz aus dem Museumskeller eines introvertierten Landes, das Wertvolles lieber versteckt, wäre beinahe ans Licht gekommen, um in einer extrovertierten Gesellschaft ausgestellt zu werden.

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