Kunstmarkt:Vielwisserin, Vielfragerin

Kundig und passioniert sammelte Karoline Luise von Baden (1723-1783) Kunst aus ganz Europa. Eine Ausstellung in Karlsruhe zeigt, wie sie dabei vorging.

Von Eva Herzog

Ohne sie wäre die Kunststadt Karlsruhe nicht, was sie heute ist. In nur vier Jahren trug Markgräfin Karoline Luise von Baden (1723-1783) an die 160 sorgfältig ausgewählte Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts zusammen, den Grundstock der heutigen Kunsthalle Karlsruhe.

Karoline Luise sammelte vor allem per Post: Von ihrem Sekretär in der badischen Provinz aus korrespondierte sie mit Geistesgrößen wie Voltaire und dirigierte mit Bestellzetteln ihre Kunstagenten. Nachdem ihr schriftlicher Nachlass in einem zweijährigen Forschungsprojekt ausgewertet wurde, lässt eine klug kuratierte und dichte Ausstellung in der Kunsthalle Karlsruhe sie als Strategin, Sammlerin und Femme savante lebendig werden.

Ihren Kunstagenten schickt sie Wunschlisten. Was später nicht gefällt, geht umstandslos zurück

Es ist eine Ausstellung, für die man durchaus zwei Rundgänge einplanen kann. Der erste beginnt mit einer goldenen Medaille aus dem Jahr 1751: als Minerva der Hessen, als Göttin der Weisheit, feiert man die hochgebildete Karoline Luise schon bei ihrer Hochzeit mit Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach, an die die Münze erinnert. In einem Porträt des Genfer Malers Jean-Étienne Liotard (1745/46) sitzt sie selbstbewusst vor der Staffelei. Das kostbare Kleid und ein nachlässig auf den Fauteuil geworfener Hermelinmantel verweisen auf den adligen Stand der jungen Malerin. Zeichnungen und Kopien in der Ausstellung zeigen sie als begabte Malschülerin, eine gebildete Kennerin, wie im europäischen Hochadel der Zeit nicht unüblich.

Als Voltaire ihr vorschlägt, doch Gemälde zu kaufen, reagiert sie noch zurückhaltend. Es ist der Bankier Jean-Henri Eberts, der sie von 1759 an zum Sammeln animiert und zu ihrem wichtigsten Ankäufer wird. Der Zeitpunkt ist günstig: Wegen des Siebenjährigen Krieges ziehen sich solvente Kunstliebhaber vom Kunstmarkt zurück, die Preise sinken. Karoline Luise bestellt Auktionskataloge und Reproduktionsgrafiken wichtiger Sammlungen - da sie in dieser Zeit kaum reist, ist dies der einzige Weg, sich einen Eindruck von den Gemälden zu verschaffen. Für ihre Kunstagenten in Paris, Rom und Amsterdam stellt sie dann Wunschlisten zusammen. Gefallen ihr die zugesandten Werke nicht, schickt sie sie ohne Zögern zurück.

Kunstmarkt: Als Malschülerin zeigt Jean-Étienne Liotard 1745/46 die junge Karoline Luise.

Als Malschülerin zeigt Jean-Étienne Liotard 1745/46 die junge Karoline Luise.

(Foto: Kunsthalle Karlsruhe)

Es ist nicht einfach, im Museum darzustellen, wie Karoline Luise bei ihrem Ankaufprojekt vorging. In Karlsruhe hat man dafür kluge und ungewöhnliche Formen gefunden: Die Briefquellen sind teils vertont, teils sogar in Filmszenen umgesetzt. Auf Touchscreens kann man die einzelnen Werke genau verfolgen. Ruft man eines der Bilder auf, werden alle Briefe gezeigt, die seinem Ankauf vorausgingen; der Kunstmarkt der Zeit wird anschaulich. Die Briefe geben einen Eindruck davon, wie begeistert die Markgräfin sammelt: "Mit Ungeduld erwarte ich den Rubens", schreibt sie an einen ihrer Händler. Von ihren Agenten lässt sie sich sogar zur Eile antreiben: "Wenn Eure Hoheit noch länger zaudern, riskieren Sie, dass der Netscher in andere Hände fällt", schreibt einer.

Karoline Luise kauft vor allem kleine Formate, Stillleben, Genreszenen und Landschaften. Das dürfte dem beschränkten, weil privaten, Budget entsprochen haben, aber auch ihren Vorlieben. Statt für eine pompöse Galerie mit grandioser Historienmalerei, wie mancher barocke Fürst sie unterhielt, kauft sie für den intimen Kunstgenuss in einem "Malereikabinett".

Nur das Beste solle es allerdings sein, und keine Kopien, schreibt die Markgräfin. Am meisten hat es ihr die Feinmalerei angetan, etwa Caspar Netschers "Tod der Kleopatra" (1673). Die in feinsten Pinselstrichen gemalten Texturen von schimmernder Seide, Metall, Stein und Haut sind nicht weniger eindrucksvoll als das dramatische Geschehen. Zwei Schäferszenen François Bouchers (1760) entführen in eine silbrig-galante Traumwelt: In Parklandschaften lagern kindlich schöne Mädchen und Jungen in anmutigen Posen. Manche werden das heutzutage kitschig nennen. Karoline Luise aber ist so entzückt von den Werken des Pariser Pompadour-Porträtisten, dass sie sie in überzeugenden Rötelzeichnungen wiedergibt. Begeistern kann sie sich auch für präzise gemalte Blumenstillleben etwa von Maria van Oosterwyck (um 1675), auf der geflammte Tulpen und fedrige Nelken sich strahlend farbig von schwarzem Hintergrund absetzen. Aber auch die freiere Malweise eines Rembrandt gefällt der Markgräfin. Sie erwirbt sein Selbstporträt von 1645/48; bei anderen Rembrandts wird sie überboten.

In einem Raum am Ende der Ausstellung sind die Werke wandfüllend barock über- und nebeneinander gehängt wie damals üblich - so eng, dass der Blick des damaligen Betrachters immer ein vergleichender war: visuelle Entsprechungen, unterschiedliche Qualitäten fielen sofort ins Auge. Angesichts der eher kleinteiligen Sammlung kann man beinahe verstehen, dass die Markgräfin das elegante Porträt "Susanna Fourment und ihre Tochter" (um 1621), einen prächtigen van Dyck, wieder verkauft - die Tafel war schlicht zu groß. In Karlsruhe bedauert man es wohl heute noch.

Berchem Montagne

Die Sammlerin liebte Genreszenen und Landschaften wie "Furt im Gebirge" von Nicolaes (Claes) Berchem (1655/60).

(Foto: Kunsthalle Karlsruhe)

Erst als die Preise für Gemälde nach Ende des Siebenjährigen Krieges wieder ansteigen, gibt Karoline Luise das Sammeln allmählich auf. Die "Vielwisserin, Vielfragerin von Baden" verlegt sich nun auf ihr Naturalienkabinett, kauft Porzellan und versucht sich an der Seidenraupenzucht. Manchmal gelingt es ihr, die vielfältigen Interessen zu verbinden. So schreibt sie 1773 einem ihrer Einkäufer, der ihr frischen Kabeljau aus Amsterdam zugeschickt hatte: "Mein Herr, Ihr herrlicher Kabeljau kam gestern in solch einem frischen Zustand an, dass wir ihn erst heute essen, da ich ihn heute Morgen noch in Tempera für meine naturgeschichtliche Sammlung habe abmalen lassen. Bei uns hat man selten solche Fische."

Die Meister-Sammlerin: Karoline Luise von Baden. Kunsthalle Karlsruhe. Bis 6. September. Katalog 39,90 Euro, Aufsatzband 29,90 Euro.

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