Kunstschmuggel:Wie der IS seinen Terror mit Raubkunst finanziert

Zerstörungen im Mossul Museum

Irakische Bundespolizisten inspizieren die zerstörten Innenräume des archäologischen Museums in Mossul.

(Foto: dpa)

Der Weg aus dem Museum in Mossul führt nach Paris, Nizza oder Brüssel. Die EU-Kommission will nun gegen diesen illegalen Handel vorgehen.

Von Daniel Brössler

Im Mai 2015 vermeldete der damalige US-Verteidigungsminister Ashton Carter einen "bedeutenden Schlag" im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Bei einer nächtlichen Kommandoaktion im ostsyrischen al-Amr sei ein ranghoher IS-Kommandeur getötet worden. Der Tote war Abu Sayyaf, auch bekannt als "Emir für Öl und Gas". Der Tunesier soll so etwas wie ein Finanzminister für die Terrororganisation gewesen sein. Die Rohstoffe in den vom IS eroberten Territorien machte er zu Geld, das benötigt wurde, um den Terror am Laufen zu halten. Darüber, wie sich der IS finanziert, hatten sich die USA detaillierte Informationen von Abu Sayyaf versprochen, weshalb er eigentlich hatte festgenommen werden sollen. Das schlug fehl. Das US-Spezialkommando stieß auf Gegenwehr, der Tunesier starb im Kugelhagel. Allerdings konnten die Amerikaner Computer, Telefone und riesige Datenmengen sicherstellen. In ihnen ging es nicht nur um Öl und Gas, sondern auch um Antiquitäten. Der Datenschatz bestätigte, dass die IS-Terroristen damit beschäftigt waren, im großen Stil erbeutete Kulturgüter - etwa aus dem Museum in Mossul - zu Geld zu machen.

Pierre Moscovici, der EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, hat jetzt in Brüssel Linien gezogen vom Museum in Mossul bis nach Paris, Nizza und Brüssel. Erbeutete Kunst sei für die Terroristen eine "perfekte Waffe". Der Schmuggel der Kulturgüter nach Europa versorge sie mit dem Geld, das sie benötigen, um eben auch in Europa Terroranschläge zu verüben. "Die Europäische Kommission will mit den Mitgliedstaaten diese Einnahmequelle für Terrorismus unterbinden", kündigte er an. Mit einem ganzen Maßnahmenpaket will die EU-Kommission verhindern, dass diese Raubkunst nach Europa geschmuggelt und hier gehandelt wird. Es gehe um Werte, aber auch um die Sicherheit der Bürger, stellte Moscovici klar.

Von welchen Größenordnungen da die Rede ist, blieb allerdings offen. Die EU-Kommission verfügt selbst über keine genauen Erkenntnisse und beruft sich auf Studien, wonach der illegale Antiquitätenhandel nur vom Waffen- und Drogenhandel übertroffen werde und jährlich global 2,5 bis fünf Milliarden umsetze. Präzise Zahlen über den Anteil von Terrororganisationen an diesem Geschäft scheinen aber nicht vorzuliegen.

Die Einfuhr von Kulturgütern aus Irak und Syrien ist verboten, aber das Verbot ist nicht effektiv genug

Die Vereinten Nationen halten das Problem jedoch in jedem Fall für gravierend. In einer Resolution stellte der UN-Sicherheitsrat 2015 "mit Besorgnis fest", dass IS, al-Nusra-Front und al-Qaida durch die Plünderung archäologischer Stätten, Museen, Bibliotheken und Archive in Syrien und Irak Geld erwirtschaften, "das zur Unterstützung ihrer Anwerbungsbemühungen und zur Stärkung ihrer operativen Fähigkeit zur Organisation und Durchführung von Terroranschlägen verwendet wird". Auch die G-20 riefen bei ihrem Gipfel in der vergangenen Woche dazu auf, gegen solche Einnahmequellen vorzugehen.

Bereits jetzt ist die Einfuhr von Kulturgütern aus Irak und Syrien in die EU verboten, aber aus Sicht der EU-Kommission ist dieses Verbot nicht effektiv genug, weil es nicht einheitlich angewendet wird und relativ leicht umgangen werden kann. Während es Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden gesetzliche Regelungen gebe, fehlten sie anderswo. Sehr unterschiedlich sind auch die Bestimmungen darüber, welche Herkunftsnachweise bei der Einfuhr in die EU vorgelegt werden müssen.

Das führt zum Phänomen des "Port-Shopping". Schmuggler suchen sich das leichteste Einfallstor in die EU, um ihre Ware innerhalb des Binnenmarkts dann ungehindert weiter zu befördern - etwa nach Deutschland oder Frankreich. Es geht, wie Moscovici sagte, nun darum, "120 000 Zöllnern an den Außengrenzen der Union Rechtssicherheit geben". Sie sollen überdies Schulungen erhalten, um verdächtige Gegenstände identifizieren zu können. Ausgearbeitet wird auch eine einheitliche EU-Definition für Kulturgüter. Damit sie bürokratisch handhabbar bleiben, sollen sich die Restriktionen auf Antiquitäten beschränken, die älter als 250 Jahre sind. Zu den Plänen gehört des weiteren ein neues Lizenzierungssystem für Importeure von archäologischen Gütern, Teilen von Denkmälern sowie antiken Manuskripten und Büchern. Nur Inhaber einer behördlichen Lizenz sollen diese Güter in die EU einführen können. Für andere Kulturgüter sollen zumindest strengere Regeln für Herkunftsnachweise greifen. Zollbeamte sollen Kulturgüter sicherstellen können, wenn ihre legale Herkunft nicht nachgewiesen werden kann. Mit Informationskampagnen will die EU-Kommission Kunsthändler wie auch Kunstkäufer sensibilisieren.

Dabei geht es, wie die EU-Kommission versichert, nicht nur um den Anti-Terror-Kampf. Zerstört werde das kulturelle Erbe jener Länder, "die es sich am wenigsten leisten können", beklagte Moscovici. Das Plündern und Schmuggeln von Kulturgütern beraube die betroffenen Nationen ihres kulturellen Identität und zerstöre das Kulturerbe der Welt, ergänzte EU-Kulturkommissar Tibor Navracsics. Nach dem Willen der EU-Kommission soll das Maßnahmenpaket Anfang 2019 in Kraft treten. Zuvor müssen EU-Parlament und Mitgliedstaaten zustimmen.

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