Kunstmarkt:Klar und robust

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Sieht aus wie aus Dänemark, kommt aber aus der DDR: Der Schreibtisch ist das beliebteste Stück aus der Möbelreihe "602", die Franz Ehrlich als Einrichtung für den sozialistischen Wohnungsbau entworfen hat. (Foto: Lars Wiedemann)

Design aus der DDR ist immer noch ein Geheimtipp. Dabei gäbe es schöne Stücke zu entdecken, etwa die Möbel von Erich Menzel oder Franz Ehrlich.

Von Kathleen Hildebrand

Tiere gehen immer. Zum Beispiel die Schildkröten mit ihren Panzern aus roten, blauen und weißen Sechsecken, mit ihren Körpern aus grobem Jutestoff und ihren freundlichen Knopfaugen. Die kleinen Elefanten mit den roten Schlackerohren. Oder die Hocker in Nilpferd- und Walform, die so breit grinsen, als gäbe es keine Sorgen auf der Welt. Renate Müllers schlichte pädagogische Spielzeuge aus den Sechzigerjahren sind die Verkaufsschlager in einem Teil des Kunstmarkts, von dem man eher selten hört: dem DDR-Design.

"Sie ist ein DDR-Design-Star", sagt Arthur Floss. Er ist Experte für modernes Design im Münchner Auktionshaus Quittenbaum und verkauft die Tiere nicht nur gern, sondern hat sie auch selbst zu Hause: "Wenn ich sie sehe, muss ich jedes Mal schmunzeln." Immer wieder erzielen die Spielzeuge gute Preise, auch international. In New York wurden sie im MoMA ausgestellt, Renate Müller wurde schon vorher von der New Yorker Galerie R and Company vertreten. Dort entdeckte sie das MoMA und nahm einige in seine Sammlung auf. Ihre Tiere sind kleine Ikonen, die größeren kosten zwischen 1000 und 6000 Euro. Renate Müller stellt die Tiere bis heute her. Aber Arthur Floss sagt auch: "Nach Renate Müller kommt lange nichts."

Das Label "DDR" lockt offenbar nur wenige. Neunzig Prozent der Kaufinteressenten, die er bei Quittenbaum betreue, suchten nicht gezielt nach DDR-Design, sagt Floss. Woran das liegt? "DDR-Design ist einfach zu unbekannt. Das Problem hat deutsches Design aber generell, nicht nur das ostdeutsche." Und: Die erste Kauflaune, die nach der Wende aufkam, sei befriedigt. "Neuland ist durch."

Dabei hat die DDR ein paar große Namen zu bieten: Hedwig Bollhagen, deren Keramik heute für Museumsshops nachgetöpfert wird, leitete jahrzehntelang die HB-Werkstätten. Der ohne Schrauben zusammengefügte Schichtholzstuhl von Erich Menzel aus den Fünfzigerjahren ist ein Musterbeispiel klarer, robuster Gestaltung in der Bauhaus-Nachfolge. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren war die Entwicklung in der Gestaltung noch ähnlich wie im Westen, der Materialmangel noch nicht so groß. "Da ist exzellentes Design entstanden", sagt Floss.

So wie das von Franz Ehrlich, ausgebildet am Bauhaus, der wie Menzel für die renommierten Dresdner Werkstätten Hellerau entwarf. Zum Beispiel die skandinavisch-streng anmutende Kasten-MöbelSerie 602, zugeschnitten auf die Zimmergrößen des DDR-Wohnungsbaus in den späten Fünfzigerjahren. Die Schränke und Sideboards der Serie standen damals vor allem in den Wohnungen der Gebildeten: Lehrer, Kulturschaffende, Ingenieure erkannten ihre neuartige, moderne Schönheit als Erste. Der Zentralkomitee-Vorsitzende Walter Ulbricht hasste sie.

Dass die Wohnzimmer der DDR trotzdem kein Hort des hohen Designs waren, lag auch daran, dass viele Möbel nie in die Läden kamen. Große Teile der Produktion wurden direkt in die Sowjetunion ausgeführt. Auch Renate Müllers Tiere gab es in der DDR nicht im Laden zu kaufen. Ihre kleine Manufaktur im südthüringischen Sonneberg belieferte direkt Kindergärten und therapeutische Einrichtungen.

Und heute? Franz Ehrlichs 602-Möbel müssten sich mit ihrem freundlichen Midcentury-Minimalismus eigentlich nahtlos in moderne Wohnzimmerträume einfügen. Das Problem ist nur: "Sie sind nicht aus Teak", sagt Floss. Und wer Midcentury-Stücke sucht, hat eben das rotbraune Tropenholz vor Augen. Der fragt nach Dänemark und nicht nach DDR. Arthur Floss findet das schade. "Es gibt so tolle Stücke. Bei mir zu Hause habe ich einen Menzel-Stuhl und den Schreibtisch aus der 602-Serie von Franz Ehrlich stehen." Den Tisch mit den drei markanten Schubladen, aus denen breite Holzzungen als Griffe ragen, hat er bei Quittenbaum schon einige Male verkauft. "Wir versuchen es immer mal wieder. Aber der Tisch ist das einzige Stück aus der Serie, dem wir Chancen geben."

Liegt das vielleicht nur an München? Wo Italien schon immer so viel näher schien als Hellerau? Die Berliner Möbelgalerie Magasin liegt mitten in Prenzlauer Berg - altes Ost-Berlin und neue Heimat der designinteressierten Gutverdiener. Fragen die Kunden hier nach DDR-Design? "Niemals", sagt Inhaberin Dürthen Köckritz. "Außer Hellerau-Möbeln, die man ausdrücklich als Bauhaus-Nachfolger bezeichnen kann, gibt es kaum etwas von Format."

Ein Vitrinenschrank aus der 602-Serie stand monatelang auf ihrer Webseite zum Verkauf. "Wir probieren es gerade mal wieder." Die Sideboards und der Schreibtisch von Ehrlich hingegen verkauften sich gut, sagt sie - für 1000 bis 1200 Euro das Stück. Einmal habe sie den Tisch sogar für 6000 Euro auf der Seite eines Pariser Händlers gesehen. Dort ist ein Objekt aus DDR-Herstellung vielleicht exotisch. Aber in Berlin?

Hier sei nach der Wende vieles im Sperrmüll gelandet, sagt Köckritz. Vor acht Jahren habe sie dann die ersten Franz-Ehrlich-Möbel "aus dem Sumpf gefischt." Jetzt werden sie immer beliebter. "Die Leute wollen nicht mehr nur Palisander. Das helle Holz wird wieder beliebter", sagt sie. Und: "Es sind schöne Sachen, die Qualität stimmt."

Mit Möbeln kauft man auch ein Lebensgefühl - bei DDR-Möbeln ist das womöglich ein Problem

Vielleicht ist das Problem mit dem DDR-Design, wenn man es denn eines nennen will, noch anders gelagert. Mit Möbeln kauft man auch ein Lebensgefühl. Den Aufbruchsgeist des Space Age, die Mischung aus Gemütlichkeit und Klarheit, die das skandinavische Midcentury vermittelt. Oder die repräsentative Üppigkeit eines Barock-Sofas. Wer aber will im Geist einer nach außen abgeschotteten Diktatur leben? Wer will ein Zimmer so einrichten, dass Skeptiker in ihm den ästhetischen Nachhall eines Stasi-Büros sehen könnten?

Doch es gibt Hoffnung für das sozialistische Design. Die Neue Sammlung an der Pinakothek der Moderne hat vor Kurzem eine Sammlung von DDR-Design aufgekauft. Wenn die aufgearbeitet sei und regelmäßig in Ausstellungen anderem Design gegenübergestellt würde, glaubt Arthur Floss, dann könnte auch das Interesse der Käufer steigen. Und überhaupt: "Gutes Design lohnt sich immer", sagt er. "Ich würde sagen: Kauft euch den Menzel-Stuhl, kauft den Franz-Ehrlich-Tisch. Wer mit schönen Objekten leben möchte, wird genau das bei ihnen finden."

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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