Kunstmarkt:Hier gelten eigene Spielregeln

Cocktail & Ausstellungseröffnung 'Gloria von Thurn und Taxis - Coincidential Similarities Berliner Gesichter' in The Corner in Berlin am 28.04.2016

Gloria von Thurn und Taxis bei ihrer eigenen Ausstellungseröffnung im vergangenen April in Berlin.

(Foto: J.Reetz/BrauerPhotos)

Prominente Schauspieler, Musiker, Modemacher und Adelige, die auch malen, tun sich auf dem Kunstmarkt schwer - dies liegt nicht nur an der mangelnden Qualität vieler Werke.

Von Astrid Mania

Sie sind immer noch im Feuilleton. Selbst wenn dieser Text mit Gloria von Thurn und Taxis einsetzt. Denn sie mischt nun auch im Kunstgewerbe mit. Seit dem Berliner Gallery Weekend präsentiert sie farbenfrohe Porträts heimischer Prominenter im Berliner Concept Store The Corner, der seine Räumlichkeiten immer wieder für spektakuläre Kunstevents bereitstellt. Hier wurden schon Fotografien von dem Auktionator Simon de Pury gezeigt, dem "Mick Jagger der Kunstauktion", wie er gern genannt wird. Glorias Werke werden für 3 500 Euro angeboten, und sie verkaufen sich, so Corner-Mitinhaber Josef Voelk - der Erlös geht dem Vernehmen nach an wohltätige Zwecke.

Sind solche Transaktionen Teil des Kunstmarkts oder zählen sie zu einem anderen Markt, auf dem allein Aufmerksamkeit und Celebrity gehandelt werden und die Kunst nur ein Vehikel ist? Der institutionalisierte Kunstbetrieb steht hauptberuflichen Schauspielern, Modemachern, Musikern und Adeligen, die zum Pinsel greifen, generell skeptisch bis ablehnend gegenüber. Der Vorwurf der "Hobbykunst" ist oft zu hören. Wo verläuft die Grenze?

Es gibt auf diese Fragen zwei Antwortmöglichkeiten: Man kann die Waren definieren, die auf dem Kunstmarkt zirkulieren (dürfen), oder die Institutionen, die diese Zirkulation ermöglichen. Im ersten Antwortversuch hieße das, sich an einer Definition von "Kunst" zu versuchen, was seit Marcel Duchamp unweigerlich zum zweiten Antwortansatz führt. Marcel Duchamp hatte mit seinen Readymades - also gefundenen Objekten aus der Alltagswelt, die er in Kunst-Räume versetzte - vorgeführt, dass unser Kunstverständnis von den Umständen abhängt, unter denen wir einen Gegenstand betrachten. Das Kunst-Sein findet sich demzufolge nicht im Objekt, sondern wird diesem von einem Außen zugesprochen, an das wir die Definitionsmacht über Kunst abgetreten haben.

Wie scharfsinnig seine Beobachtungen waren, zeigt sich bis heute daran, dass wir eine Person, die an einer Kunstakademie studiert hat, anstandslos als Künstlerin akzeptieren und deren Schöpfungen als Kunst. Eine entsprechende Ausbildung gilt als "Zeugnis für die kulturelle Kompetenz", wie der Soziologe Pierre Bourdieu es nennt, sie entbindet uns von einem eigenen Urteil. Und auch wenn wir das Werk eines professionellen Künstlers nicht schätzen, wird man diesem selten seinen Kunst-Status absprechen. Autodidakten haben es dagegen schwer, der institutionalisierten Kunstwelt Anerkennung abzuringen. Hier muss sich, wie es bei der Outsider Art psychisch Kranker geschehen ist, mindestens eine Autorität aus dem Kunstbetrieb vorwagen und die Umwertung vornehmen, der andere folgen.

Der prominente Schauspieler und seine Kollegen, die es in den Kunstmarkt zieht, stellen einen Sonderfall unter den Autodidakten dar. Zu jeder Künstlerkarriere gehört eine Erzählung, die mit dem Werk vermarktet wird. Der Outsider, der ein von paranoiden oder sexuellen Obsessionen getriebenes Werk geschaffen hat, lässt sich wahlweise als Verwandter des manischen oder des konzeptuellen Künstlers verkaufen und so an den Kunstmarkt andocken. Der Promi aus der Musikszene oder dem Filmbusiness aber bringt einen Überschuss an eigener, kunstfremder Geschichte mit, die seiner Eingliederung in den Kunstbetrieb oft im Weg steht.

Wie immer man beispielsweise zu den Bildwerken eines Marilyn Manson stehen mag, die ihren Schock-Effekt aus dem Kontrast zwischen derbem Sujet und zartem Aquarell beziehen wollen - Mansons inszenierte Dark-Rock-Attitüde spricht offenbar Sammler an, bei denen Sex and Drugs and Rock 'n' Roll an der Wand ausgelebt werden. Die Prominenz, das bestätigt Mansons Kölner Galeristin Brigitte Schenk, ist eher Handicap. Sie lässt Zweifel an der Ernsthaftigkeit einer künstlerischen Praxis aufkommen, und eine regelmäßige Arbeit, so Schenk, ist unbedingte Voraussetzung. Die sei bei Manson gegeben. Die Gefahr, dass ein Prominenter weniger durch die Inklusion in eine Galerie zum Künstler aufgewertet, sondern diese als ernst zu nehmende Kunstinstitution dadurch abgewertet wird, ist jedoch groß.

Die Verquickung der Kunstwelt mit der Promiwelt ist umso gewinnbringender, je näher sich das Image der Galerie und des prominenten Künstlers sind. Hervorragend beobachten lässt sich das an der Zusammenarbeit der Berliner Galerie Peres Projects mit dem Schauspieler und Regisseur James Franco. Schon Francos erste Ausstellung bei Peres Anfang 2011 wurde von der Kritik erstaunlich ernst genommen. Nun steht Franco für eine Form von Prominenz, die in einer zunehmend glamourisierten Kunstwelt Begehrlichkeiten weckt. Er verkörpert Casualness. Vor allem passt er in eine Galerie, die aus Los Angeles gekommen ist und das Event noch nie gescheut hat. Was Franco zudem hilft: Während viele Promis Werke schaffen, die wirken, als hätten sie die Kunst der Moderne in einen Mixer gegeben und über einer Leinwand ausgeschüttet, versucht er sich am schmatzenden Ikonoklasmus eines Paul McCarthy und den fotografischen Lassoschwüngen eines Richard Prince.

Bilder dienen dem Gelderwerb? Ja. Aber das sollte ein Künstler tunlichst bestreiten

Doch am Ende wird ein "Promi-Künstler" nicht nur dadurch zum "richtigen Künstler", dass die Türsteher des Kunstbetriebs sein Werk als zeitgenössisch anerkennen, er eine Galerie gefunden hat und eine Narration mitbringt, die im Kunstmarkt Geltung hat. Vor allem darf er eins nicht tun: seine Verkaufsabsicht zur Schau stellen. Es mag wie ein Widerspruch klingen, dass es ausgerechnet auf dem Kunstmarkt nicht um das Verkaufen gehen soll. Selbstverständlich tut es das. Kunst jedoch wird, um auch hier Bourdieu zu folgen, "mit der Absicht einer ausdrücklichen Verneinung des Ökonomischen hergestellt" - und bezieht genau daraus ihren symbolischen Mehrwert. Sie mag mit der ausdrücklichen Absicht des Lebenserwerbs entstehen, doch es gehört zu ihren Konventionen, genau dieses zu bestreiten.

Die Prominenten, die aus ihrem Bekanntheitsgrad Kapital schlagen wollen, indem sie sich an der bildenden Kunst versuchen, dürfen deren Ökonomie auf keinen Fall vulgarisieren. Denn aus dem Kunst- wird ein Bildermarkt, wenn ein Werk allzu unverhohlen angeboten wird. Ohne die Strahlkraft des White Cube einer Galerie, ohne einen Pressetext, der das Werk intellektualisiert, ohne die sehr spezielle Choreografie etwa eines Galeriedinners, ja, selbst ohne das mehrwerthaltige Prickeln der Auktion steht ein Werk ziemlich nackt da. Die Missachtung dieser ungeschriebenen Gesetze dürfte manche Promikunst viel stärker diskreditieren als es ein noch so unbeholfenes Gemälde tut.

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