Unter dem Hammer:Kunstschätze aus den Hinterzimmern einer Bank

Eine Roboter-ähnliche Figur aus Metallteilen.

Aus dem Unicredit-Besitz kommt nächste Woche unter den Hammer: "Anonymous Crimean Tarta who saved Life of Joseph Beuys - Not yet thanked by German Folks" von Nam June Paik.

(Foto: Christie's/VG-Bildkunst, Bonn 2019)

Die Hypo-Vereinsbank verkauft einen Teil ihrer Sammlung. Ihre Werte sollen nicht länger im Depot schlummern, sondern höheren gesellschaftlichen Zwecken dienen, heißt es.

Von Susanne Hermanski

Die Hypo-Vereinsbank trennt sich von Teilen ihrer Kunstsammlung. Die Umstukturierungspläne ihres italienischen Mutterunternehmens Unicredit wollen es so. 312 Werke hat die Großbank aus ihren gewaltigen Beständen bereits ausgewählt, sie werden in den nächsten Wochen und Monaten unter den Hammer kommen. Die ersten 33 bereits am 4. und 5. Oktober bei Christie's in London, davon kommt ein Großteil der Werke aus München. Arbeiten von Gerhard Richter, Yves Klein, Enrico Castellani, Sam Francis, Andreas Gursky and Nam June Paik sind dabei. Versteigert werden sie im Rahmen zweier größerer Auktionen mit Nachkriegs- und Zeitgenössischer Kunst, zu den absoluten Highlights gehören sie dabei nicht.

Das Auktionshaus schätzt das Ergebnis, das sich an diesen beiden Tagen aus dem Unicredit-Bestand erzielen lassen wird, auf gut drei Millionen Euro, soviel dürfte manches andere Werk in denselben Auktionen allein einbringen. Als teuerstes Werk aus München taxieren die Auktionatoren ein Gemälde von Ernst Wilhelm Nay: "Helle Girlande" aus dem Jahr 1957, es allein könnte für eine halbe Million Euro über den Tisch gehen.

Unter dem Hammer: "Helle Girlande" von Ernst Wilhelm Nay.

"Helle Girlande" von Ernst Wilhelm Nay.

(Foto: Christie's/VG-Bildkunst, Bonn 2019)

Zwei Gemälde von Gerhard Richter, die ebenfalls aufgerufen werden, sind kunsthistorisch weniger bedeutend innerhalb des Schaffens des oft als teuerstem unter den lebenden Malern gehandelten. Deshalb dürften beide zusammen zwar unter der "Hellen Girlande" liegen, prächtig entwickelt hat sich ihr Preis aber allemal, seit die Hypobank sie Münchner Galerien wie Jahn und Fusban oder der Galerie Thomas in den Achtzigerjahren und frühen Neunzigern abgekauft hat. Da lag die Fusion zwischen Hypo- und Vereinsbank noch in weiter Ferne - sie erfolgte 1998, von der Übernahme durch das italienische Finanzinstitut Unicredit 2006 ganz zu schweigen. Dass die Arbeiten nun veräußert werden, markiert einen Wendepunkt in der bisherigen Münchner Hauspolitik, was die Kunst anbelangt.

Drei Jahrzehnte lang beschäftigte die Bank eine eigene Kunsthistorikerin, Bärbel Kopplin, als Kuratorin mit eigenem Team. Sie ist seit einem Jahr im Ruhestand, und ihre Stelle wurde bislang nicht nachbesetzt. So wie viele Stellen in der Unicredit, seit Jean Pierre Mustier 2016 auf den Posten des Vorstandschefs geholt worden ist. Um die Großbank zu sanieren, strich er nicht nur 14 000 Stellen und trennte sich damit von 14 Prozent seiner Belegschaft. Er schloss in der Folge auch fast 1000 Filialen. Also Bankniederlassungen mitsamt ihren Besprechungs-, Beratungs- und Direktorenzimmern, in denen beinah überall auch Kunst hing und stand. Denn, das ist seit Äonen eine Weisheit der Branche, wer Kunden gegenüber seriös auftreten will, kann das unmöglich vor dem Hintergrund eines Posters aus dem Möbelhaus tun, auf dem womöglich eine billige Cezanne-Kopie prangt.

Unter dem Hammer: „Abstraktes Bild“ von Gerhard Richter.

„Abstraktes Bild“ von Gerhard Richter.

(Foto: Christie's/VG-Bildkunst, Bonn 2019)

Nun ist es nur logisch, dass bei der Auflösung von Filialen auch Kunst zurückfließt an die Zentrale, in womöglich nicht einmal vorhandene, teuer anzumietende Depots. Wo es diese gibt, schlummert aber in der Regel schon manch anderer Schatz. Den hat die Bank vorgestern aus einer gesellschaftlichen oder selbst auferlegten Verpflichtung heraus angekauft, und jetzt will er konserviert oder gar restauriert werden, sofern er nicht gerade jene Klasse hat, an eines der Museen dieser Welt ausgeliehen zu werden. Und das kostet Geld.

60.000 Kunstwerke

umfasst die Sammlung der Unicredit Großbank. Dazu gehören nicht nur die Bestände der Hypovereinsbank, sondern auch jene der anderen Banken aus Italien, Österreich und Osteuropa, die in der Unicredit Gruppe vereint sind. So systematisch wie die Hypovereinsbank haben beileibe nicht alle anderen Banken gesammelt. Dort schärfte man seit den Achtzigerjahren das Profil auf Werke der aktuellen europäischen Kunstszene mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössische Kunst. Die Sammlung der HVB allein umfasst an die 14 000 Kunstwerke.

Dass die Initiative zum Verkauf von Teilen der Unicredit-Sammlung 2017 ebenfalls von Jean Pierre Mustier gekommen ist, überrascht also kaum. Trotzdem setzt Unicredit alles daran, klarzustellen, dass Versteigerung ihrer Kunst nicht einer Art Refinanzierung in diesem Zusammenhang diene. Auch will die Großbank nicht in den Ruf des großen Kunstausverkäufers kommen oder gar das Missverständnis erzeugen, man wolle plötzlich im großen Stil mitmischen im hochspekulativen Kunstmarkt. Der treibt in Zeiten von Niedrigzins und leer gefegtem Immobilienmarkt sonst schon genug eigene Blüten.

Die Unicredit betont, dass die Versteigerung ihrer Kunst keinen anderen Zweck habe, als die Erlöse daraus ihrer Initiative "Social Impact Banking" zufließen zu lassen und wiederum junge Künstler zu unterstützen. Unter Social Impact Banking versteht die Bank die Vergabe von vergünstigten Krediten an "Unternehmen und Organisationen, die einen gesellschaftlichen Nutzen stiften". Als Beispiel führt sie etwa eine Klinik im Rheinland an, die eine eigene Ausbildungsstation für Pflegekräfte einrichtet und so nachhaltig helfe, eines der dringlichsten Probleme unserer Tage zu lösen.

Unter dem Hammer: Die "Sculpture - éponge bleue sans titre" von Yves Klein.

Die "Sculpture - éponge bleue sans titre" von Yves Klein.

(Foto: Christie's/VG-Bildkunst, Bonn 2019)

Die Bank verzichte auf ihre Rendite, mögliche Gewinne flössen wieder in weitere Projekte mit "Social Impact". Auch Finanz-Workshops für junge Leute gehörten dazu und die Beratung von jungen Unternehmern in sozialen Bereichen. In Italien und Österreich läuft die Initiative bereits seit 2017, dort bislang noch unabhängig von dem Geld, das nun aus den Kunstverkäufen kommen wird. 40 bis 50 Millionen Euro sind bislang von Unicredit für entsprechende Kredite vergeben worden.

Wie viele Werte, die derzeit in den Kunstdepots schlummern, nun per Auktionshämmerchen zusätzlich aktiviert werden können, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Die Kunstszene soll dabei am Ende aber nicht leer ausgehen. Ein separater Posten aus den jetzigen Versteigerungserlösen soll wieder der Förderung junger Künstler zugute kommen. Nicht in erster Linie durch neuerliche Ankäufe, doch nicht einmal das sei ausgeschlossen. Aber mehr noch wolle man Nachwuchskünstlern Räume anbieten, in denen sie ihre Arbeiten präsentieren können, wie etwa den "Cube". Der befindet sich in München im Herzen der Bank, im "Private Banking". Dort wo ausschließlich viele, sehr sehr wohlhabende Leute und damit potenzielle Sammler zu ihren Beratungsgesprächen ein und aus gehen.

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