Kunstmarkt:Auf der Plantage

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Die Art Basel ist die weltweit größte Kunstmesse und in diesem Jahr feiert sie ganz besonders schwarze Künstler. Nur komisch dabei: Käufer und Händler sind immer noch weiß.

Von Catrin Lorch

Selten ist eine Ausstellung so auf Distanz zum Markt gegangen, wie diese Documenta. In Athen und Kassel werden Außenseiter präsentiert, auffallend viele der geladenen Künstler sind älter. Sie haben lange abseits der Galerien-Szene gearbeitet, zeigen unverkäufliche Performances und Soundkunstwerke oder sind mit ihrem Werk ohnehin anderen Zusammenhängen verpflichtet, wie beispielsweise Ritualen oder Stammeskunst. Als der künstlerische Leiter Adam Szymczyk zur Eröffnung gefragt wurde, wie viel seine Ausstellung mit der kurz darauf stattfindenden Art Basel zu tun habe, der weltweit bedeutendsten Kunstmesse, sagte Szymczyk: "Ich hoffe viel."

Als sich vor zehn Jahren die Großausstellungen überschnitten, als die Documenta in Kassel, die Skulpturprojekte Münster und die Biennale in Venedig in einem Frühjahr eröffneten, da fanden viele nichts dabei, der sogenannten Grand Tour zu den Etappen auch die Messe in der Schweiz zuzurechnen. Inzwischen allerdings ist der Einfluss des Markts so überwältigend geworden, dass man sorgfältig Abstand hält.

"Wie sieht der Markt für die Künstler der Documenta 14 aus?", fragt die Zeitschrift Artnewspaper. Dann zitiert sie den Galeristen Lucas Cooper, der Hans Haacke, einen der prominentesten Künstler der Ausstellung vertritt: "Er mag es nicht, wenn seine Arbeiten auf Messen gezeigt werden, also nehmen wir ihn auch nicht mit auf die Art Basel", so Cooper.

Die einen stellen den Rohstoff her, den die anderen veredeln, verkosten und verkaufen

Nicht alle Künstler können sich so entziehen. Zum einen, weil die Documenta, die viele als eher spröde Diskurs-Kunstschau erwartet hatten, überraschend viel Malerei zeigt. Zum anderen, weil sogar Künstler wie Pope L, der in Athen und Kassel eine geheimnisvolle Flüsterkampagne initiiert, in Basel längst vergessene Gemälde auf dem Stand von Mitchell Innes & Nash wieder entdecken kann.

Der Kunstmarkt ist derzeit so gierig nach Ware, wie selten zuvor. Und wenn der Kurator der Documenta die berühmten und teuren Namen nicht auf seine Künstlerliste setzt, dann umso besser, dann kann man vielleicht einen neuen, einen anderen Kanon vermarkten. Kurz vor der Documenta gab die Galerie Hauser & Wirth stolz bekannt, jetzt auch die greise Rumänin Geta Bratescu - eine der schönsten Entdeckungen der Documenta 14 - zu repräsentieren.

Die Währung, auf die sich alle geeinigt haben, scheint in diesem Juni die Arbeit schwarzer Künstler zu sein. Womöglich auch deswegen, weil erst wenige Tage vor der Kasseler Eröffnung bei einer Auktion von Sotheby's ein Gemälde von Jean-Michel Basquiat, einem im Jahr 1988 verstorbenen Afroamerikaner, der höchste Zuschlag gezahlt wurde, den je ein amerikanischer Künstler erzielte. Gleichzeitig war es der höchste Preis überhaupt für ein nach 1980 entstandenes Kunstwerk: 110 Millionen Dollar war einem Sammler das Gemälde "Untitled" wert, das eine Art Totenkopf auf blauer Leinwand zeigt.

Solche Erfolge lassen sich in der Hängung einer Messe wie der Art Basel ablesen. Jean-Michel Basquiat wird jetzt genau dort präsentiert, wo vor wenigen Jahren noch Picasso-Leinwände oder Scherenschnitte von Matisse auf Käufer warteten: Bei Nicholas Acquavella, in einer der elegantesten Kojen im Basement, präsentiert man die millionenschweren "Three Delegates" (1982). Unweit hat die Richard Gray Gallery "Untitled (Soanamum)" gehängt, mehr als vier Quadratmeter Acryl auf Leinwand für 14 Millionen Dollar. Gerahmt, wie zur Bekräftigung, von einem besonders exotischen Foto des Künstlers und einem schwarz aquarellierten Gesicht von Naomi Campbell (porträtiert von Marlene Dumas). Daneben steht eine Reihe von Skulpturen "Series of Question of African Female" von Theaster Gates. Dieser Afroamerikaner war Star der vorangegangenen Documenta. Er arbeitet in Abbruchhäusern in Chicago.

Die Galerie Lévy Gorvy inseriert ihren Basquiat-Triptychon sogar auf den Anzeigenseiten in Kunstmagazinen, "Baby Boom" aus dem Jahr 1982 ist mehr als zwei Meter breit und verbinde die "Sprache des Grafitti" mit "opaken schwarzen Pinselstrichen", heißt es da. Eine "afrikanische Maske" überlagere die Dreifaltigkeit des Motivs, eine "modernistische Anverwandlung sogenannter primitiver Kunst".

Froh ist, wer schon länger "artists of color" im Programm führt: Adrian Piper darf in der Unlimited-Halle einen eigenen Saal bespielen, Sam Durants schöner gelber Leuchtkasten "They Tried To Bury Us (they Didn't Know We Were Seeds)" aus dem vergangenen Jahr strahlt unübersehbar an der Außenwand der Galerie Blum and Poe, ein Kollege hat sogar eines der großformatigen Porträts von Alex Katz gefunden, das einen Schwarzen zeigt, "Bill 3", gerade erst fertig gemalt.

Ist die Kunstwelt also in diesem Frühjahr, in dem so viele Afrikaner wie nie zuvor auf einer Künstlerliste der Documenta standen, an der auch zwei schwarze Kuratoren mitgearbeitet haben, ein Stückchen weiter geworden? Im Innenhof der Art Basel ist beim Champagne-Breakfast vor der Öffnung der Türen davon noch nicht viel zu merken: Das Publikum wirkt dort sogar besonders weiß, nachgerade silberhell, weil es ja nicht eben junge Menschen sind, die hier am Vormittag ein paar Hunderttausend Euro für Kunst ausgeben können. Immerhin: Einige der Sammlerinnen zeigen, dass sie sozusagen direkt von der Documenta kommen. Sie gehen in den Bequemschuhen, die die Künstlerin Irena Hayduk dort verkauft. In diesem Umfeld wirkt es wie ein plumper Witz, dass der einzige Schwarze, der zu sehen ist, die Gläser einsammelt. Und die beiden Tänzer, die vor dem Eingang die gewaltige "Fun Fair" der Künstlerin Claudia Comte beleben.

Nun könnte man sich fragen, ob das so wichtig ist: Wer da bei einer VIP-Preview zu sehen ist. Und am frühen Abend tauchen ja auch Schwarze auf, Künstler, Kuratoren. Aber wenn man sich fragt, wie der Markt aussieht, dann hat es keinen Sinn, allein auf die Künstler zu schauen. Zum Markt gehören Mitspieler, also Händler, Galeristen, Sammler. Und da ist Basel genauso wenig international, heterogen, ausgreifend, wie vor hundertfünfzig Jahren, als Cezanne, der gerade in einer großen Retrospektive im Kunstmuseum gezeigt wird, seinen "Nachmittag in Neapel (mit schwarzer Magd)" (1876/77) malte. Der schöne schwarze Rückenakt serviert den beiden weißen Akten den Tee.

In diesem Frühjahr gab es in den USA eine kurze, sehr heftige Diskussion um ein Gemälde von Dana Schutz, einer weißen Malerin, der man vorwarf, sie beute eine "schwarze Motivik" aus, erschleiche sich die Bedeutung, die Drastik und Dringlichkeit, indem sie auf ikonische Bilder von Unterdrückung und Benachteiligung zurück greife. Spontaner Einwurf: Klar darf sie das tun, die Kunst darf schließlich alles. Aber wer zehrt von wem? Wie sind die Rollen in dem Spiel vergeben, das Kunst heißt? Das könnten die entscheidenden Fragen in diesem Frühsommer sein.

Basquiats posthumer Millionen-Erfolg wie auch die Präsenz der vielen zeitgenössischen Künstler aus Afrika oder Asien ist vielleicht für die Ästhetik eine Bereicherung. Bereichert sind am Ende aber womöglich vor allem der - überwiegend - westliche Handel, die Galerien in den Kunstmetropolen, die Auktionshäuser, die fast ausschließlich weißen Sammler. So sieht das Geschäft von außen betrachtet immer noch nach der Plantage aus, auf der die einen ihre Haut zu Markt tragen um den Rohstoff herzustellen, den die anderen verarbeiten, veredeln, verschiffen, verkaufen und verkosten.

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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