Kunsthandel vor den Toren New Yorks:Die letzten Tage von Bridgehampton

Der New Yorker Sommer war heiß und lang, auf Long Island nehmen die Reichen der Stadt gerade ihre letzten Sonnenbäder. Ihre Galeristen sind ihnen vorsichtshalber nachgereist - und bieten Handelsware in Wohnzimmeratmosphäre.

Peter Richter

Der Sommer war groß, der Sommer war lang, und der Sommer war ungewöhnlich heiß. Jedenfalls war er das in New York, und deshalb hielt sich natürlich niemand, der nicht unbedingt musste, in Manhattan auf. Die Stadt gehört im August erstens den Touristen, zweitens den Touristen, die mit einem Pappkaffee in der Hand versuchen, als Einheimische durchzugehen, und drittens den paar Millionen Bedauernswerten, die arbeiten müssen und kein Haus am Strand dafür haben.

The skyline of midtown Manhattan in New York behind Jersey City

Während die New Yorker die letzten warmen Sommerabende genießen, warten die Galeristen auf den Umzug zurück in die Stadt.

(Foto: REUTERS)

Aber der Kunstmarkt als solcher, der ist im August nahezu geschlossen in den Ferien. In dem Punkt unterscheidet sich New York nicht groß von Berlin. In den Galerien finden dann oft bestenfalls wilde Sommershows statt und die Assistentinnen dürfen ihre Künstlerfreunde einladen; manchmal bleibt bei so etwas tatsächlich einer hängen. Schlimmstenfalls machen junge Kuratoren alte Scherze und zeigen zum Beispiel eine Ausstellung über "Marxismus", in der es dann um die Komikertruppe der Marx Brothers geht. (Gab es wirklich, in der 303 Gallery in Chelsea.)

Die Galeristen selber reisen naturgemäß tendenziell dem Geld hinterher, und das sitzt, wenn es in New York zu stickig wird, immer noch am liebsten in den Hamptons. Wenn ein Upper East Side-Gallerist wie Mark Borghi daher entscheidet, in seiner Filiale in Bridgehampton in diesem Sommer Frank Stella zu zeigen, dann verhält er sich gewissermaßen auch nicht anders als ein Hofjuwelier, der den Herrschaften die Klunker an den Sommersitz nachträgt.

Nonchalance - oder sogar Witz

Subtiler und gleichzeitig aufregender ist das, was José Martos am gleichen Ort, also ebenfalls in Bridgehampton, macht. Nämlich einfach beides: fremd kuratierte Gruppenschau und Ferien in Kundennähe auf Long Island, beides im gleichen Haus. José Martos, dessen Name spanisch, dessen Herkunft aber französisch ist, ist eigentlich auch so ein Galerist, der in der Arbeit mit New Yorker Big Shots wie Keith Haring, Andy Warhol oder David Salle groß geworden ist. Aber in seinem Ferienhaus an der Sagaponack Road hat er den Kurator Robert Nickas machen lassen, einen Experten sowohl für die Subversionen der Punkkultur wie für die Abstraktionen in der Gegenwartskunst - und das hat eine Reihe von sehr charmanten Vorteilen. Nonchalance zum Beispiel. Überraschung. Sogar Witz.

Das fängt schon damit an, dass man nicht in jedem Fall auf Anhieb sagen kann, was auf der Wiese rund um das Haus Kunst ist und was den Kindern zum Spielen dient. Oder ob beides der Fall ist. Es geht schon damit los, dass das Haus überhaupt verwunschen im Gras thront, während in den überpflegten Nachbargrundstücken unentwegt die Rasenmäher heulen.

Vorn auf der Veranda steht, man solle hinten rein, wo in amerikanischen Häusern die Küche ihren Platz hat; dort begrüßen einen José Martos, der gerade das Kind füttert, und die Künstlerin Servane Mary, die an der Nähmaschine ihr Gartenzelt repariert (kein Spielgerät, sondern Kunst, für $ 7500), wie einen alten Bekannten, der hier natürlich freien Zugang hat.

Man fühlt sich natürlich trotzdem wie ein Eindringling, der in fremden Privatangelegenheiten stöbert. Die Frage ist dann nicht nur: Wieviel kostet die Arbeit "Pants!" von Yi Jeon Park (koreanische Künstlerin, Jahrgang 1979, nicht identisch mit der gleichnamigen koreanischen Schauspielerin, Jahrgang 92. Und die Antwort ist: $ 3000.) Die Frage ist vielmehr: Warum kippelt das Ding wie ein geschmolzener Goldzahn auf einer Schrankkante im Wohnzimmer, und wie verhält es sich zu den Mondlandschaften von David Malek (amerikanischer Maler, nicht identisch mit dem gleichnamigen Sänger aus Australien) hinter dem Sofa, die auf Fotos beruhen, welche ein Fälscher in den Sechzigern der Nasa andrehen wollte - und, wie Martos behauptet, wohl auch hat. Martos verkauft sie für $4000.

Und was hat dieses Paar, das im übrigen dermaßen verblüffend an Roman Polanski und Emanuelle Seigner, nur jünger, erinnert, dass man irgendwann selbst das für einen Einfall von Robert Nickas hält, was hat dieses französische Paar also eigentlich für eine Obsession mit den anerotisierten Arbeiten von Aurora Rosenberg, die in Haus wie Garten ihre "Dialectical Porn Rocks" ($ 18.000) auslegen durfte? Mit Pornobildchen beklebte Steine sind das, die man sich am Grund eines Bachlaufs vorstellen soll, als modernes Rheingold sozusagen.

Wer es bis auf den Dachboden schafft, findet dort, wie beim Ostereiersuchen, wunderbare kleine Betonbilder von Davina Semo für je $ 3000, die im Obergeschoss außerdem eine kleine, metallene Falte in die Wand gehauen hat, an der Gilles Deleuze leise Freude gehabt hätte. Im Swimmingpool treibt ein Boot mit Camouflagesegel als wär's die Yacht von René Magritte. (Ist aber von Aaron Suggs; $ 32.000.)

"Ach, die schönen Mail-Art-Collagen sind gar nicht verkäuflich?"

Die Inszenierung von Handelsware als bewohnte Privatsammlung und persönliche Geschmackssache ist immer ein recht suggestives Marketing-Instrument. Die Grenzen zwischen Kunsthandel, Raumausstattung und kunstwerkshafter Total-Ausstellung werden fließend in solchen Fällen, und die Beimengung von Leihgaben aus anderen Sammlungen tut dazu ihr übriges: "Ach, die schönen Mail-Art-Collagen von Ray Johnson sind gar nicht verkäuflich?" "Leider nein, aber wenn man dem Besitzer einen vernünftigen Preis vorschlägt, wird er vielleicht mit sich reden lassen."

Umgekehrt ist "Creatures from the Blue Lagoon" - ein Titel, der sehr stimmig sowohl auf einen Klassiker des Horrorkinos wie auf einen Pädophilen-Softporno anspielt - eine wunderbare sogenannte Bespielung eines todgeweihten Ortes.

Am Montag ist in Amerika "Labour Day". Damit endet der Sommer in den Hamptons. Damit endet auch die Ausstellung. In der Woche danach bricht der Kunstrummel in Manhattan wieder los, und in den Galerien geht es zu wie auf dem Schulhof nach den großen Ferien.

Das Haus in Bridgehampton allerdings, das schon den amerikanischen Bürgerkrieg erlebt haben muss: Das wird dann abgerissen werden. Martos hatte es immer nur gemietet. Die neuen Besitzer dürften es eher wie die Nachbarn halten. Mit Neubauvilla, Rasenmähern und Frank Stella.

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