Kunsthandel:Hat "Freeport-König" Bouvier gestohlene Picassos verkauft?

  • Catherine Hutin-Blay glaubte Werke ihres Stiefvaters Pablo Picasso sicher in Paris verwahrt - in einem Lager von Yves Bouvier.
  • Aber die Werke im Wert von 36 Millionen Euro wurden an einen russischen Oligarchen verkauft.
  • Bouvier ist einer der größten Strippenzieher im Kunstgeschäft und steht nun im Verdacht, gestohlene Kunstwerke verkauft zu haben. Er weist alle Vorwürfe zurück.

Von Jörg Häntzschel

Catherine Hutin-Blay, eine Stieftochter von Pablo Picasso, war sehr erstaunt, als ihr Restaurator sie fragte, ob sie wirklich zwei von Picasso gemalte Porträts ihrer Mutter, Jacqueline Roque, der zweiten Frau Picassos, und 58 seiner Zeichnungen verkauft habe.

Noch erstaunter war sie, als sie erfuhr, dass diese Werke mittlerweile in Gstaad hingen, im Chalet von Dmitri Rybolowlew, dem russischen Oligarchen und Besitzer des Fußballclubs AS Monaco, der für die Bilder 36 Millionen Euro gezahlt haben soll. Vollends sprachlos war sie aber, als sie erfuhr, dass hinter dem Verkauf kein anderer stehe als Yves Bouvier. Jener Bouvier, einer der größten Strippenzieher im Kunstgeschäft, ist Besitzer der Firma Art Transit, in deren Pariser Lager Hutin-Blaye ihre Picassos sicher verwahrt glaubte.

Bouvier weist alle Vorwürfe zurück

Nachdem sie sich im März an die französische Polizei gewandt hatte, wurde im Mai einer von Bouviers Geschäftspartners vorübergehend festgenommen. Am Montag nun vernahmen die Behörden auch Bouvier selbst. Er bleibt gegen eine Kaution von 27 Millionen Euro auf freiem Fuß. Bouvier weist alle Vorwürfe zurück. Über seinen Sprecher ließ er erklären, "er habe nie geahnt, dass die Werke gestohlen sein könnten." Vor dem Verkauf an Rybolowlew habe er schließlich die Herkunft der Werke sorgfältig geprüft. Das Art Loss Register, die wichtigste Datenbank für gestohlene Kunst, habe ihm die Unbedenklichkeit der 60 Werke bescheinigt.

Unter Bouvier ist das Familienunternehmen Natural Le Coultre zu einem unübersichtlichen Firmenimperium gewachsen, das alle erdenklichen Wünsche derer erfüllt, die Kunst kaufen oder verkaufen, auftauchen oder verschwinden lassen wollen. Seine wichtigste Geschäftssparte sind die "Freeports", die Zollfreilager, die er nach Genf, Luxemburg und Singapur auch an etlichen anderen lukrativen Orten zwischen Peking und den Bahamas eröffnen will.

War Bouvier Vermittler oder Händler?

Mit den Anschuldigungen - vorgeworfen werden ihm unrechtmäßiger Besitz, Betrug und Geldwäsche - hat Bouvier nun zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate Ärger am Hals. Erst Ende Februar wurde er in Monaco auf dem Weg zu jenem Rybolowlew festgenommen. Bouvier hatte diesem seit Jahren geholfen, seine auf zwei Milliarden Dollar geschätzte Kunstsammlung aufzubauen. Nun warf er Bouvier vor, er habe ihm für mehrere Gemälde überhöhte Preise in zweistelliger Millionenhöhe berechnet.

Unter anderem ging es um Leonardo da Vincis "Salvator Mundi", für das Bouvier Rybolowlew 127,5 Millionen Dollar in Rechnung gestellt haben soll - 50 Millionen mehr, als er, Bouvier, selbst dafür gezahlt hatte. Die Frage ist, ob Bouvier bei den Deals als Vermittler fungierte oder als Händler, der die fraglichen Werke vor dem Weiterkauf selbst besaß und die Preise frei bestimmen konnte.

Obwohl der Prozess um die vermeintlich überhöhten Preise noch nicht begonnen hat, schien sich im August das Blatt zu Bouviers Gunsten zu wenden. Ein Berufungsgericht in Singapur gab sein eingefrorenes Vermögen frei. Bouvier kündigte daraufhin an, Rybolowlew wegen Rufschädigung zu verklagen. Mit dem Picasso-Deal ist Bouviers Hoffnung auf Rehabilitation erst einmal zerstört.

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