Süddeutsche Zeitung

Werner Büttner in der Kunsthalle Hamburg:Immer schön renitent bleiben

"Killed By Death": Der malende Pessimist Werner Büttner liebt die Ironie - gerade auch in seinen Titeln. Die Hamburger Kunsthalle ehrt ihn mit einer "Last Lecture Show".

Von Till Briegleb

Wer in dieser Ausstellung gar nicht lacht, ist vermutlich heilig. Spätestens bei den gemeuchelten Stockenten mit dem Titel "Killed by Death" überwältigt den humorlosesten Deutschen doch die Biochemie spontaner Zwerchfellgrimassen. Denn der Spott- und Tiermaler Werner Büttner arbeitet nicht ohne Ziel. Wie alle verzweifelten Humanisten hält er als Zeitzeuge durch, dank der Ironie. Und die Botschaft an alle Gleichgesinnten, ihren Ekel vor erniedrigenden "Gewinnerzielungsabsichten" nicht zu vergessen, spitzt sich manchmal zum echten Witz. "Killed by Death" kommt sowieso. Auch für trotzige Pessimisten wie Büttner. Aber alles vorher darf einfach nicht unkommentiert hingenommen werden. Wenn man's schon nicht ändern kann.

Wie andere große Ironiker, etwa Heinrich Heine, Elfriede Jelinek, Christoph Schlingensief oder James Ensor, ist Werner Büttner ein Dabeigewesener, der sich mit seiner Arbeit die nötige Distanz verschafft, um vom Fluch der kommenden Generationen nicht gemeint zu sein. Seit Büttner in den Achtzigern in Seilschaft mit Albert Oehlen und Martin Kippenberger den Misthaufen einer immer noch altnaziverseuchten Gesellschaft bestieg, um den Morgen der ätzenden Malerei zu bekrähen, ist er sich seiner Doppelrolle bewusst: Er ist Teil einer Menschheit, die leider nicht von Hegels Weltgeist zum Guten gelenkt wird, aber schuldlos daran nimmt er die Pflicht an, renitent zu bleiben. Nur nicht zu seriös, denn bekanntlich sind die ernstesten Kritiker der Elche selber welche.

Büttner ist ein moralischer Künstler, der aber nicht belehren möchte. Sein Feind ist die Heuchelei

Die "Last Lecture Show" in der Hamburger Kunsthalle, eingerichtet anlässlich von Büttners Ausscheiden aus dem Professoren-Kolleg der Hochschule für bildende Künste Hamburg nach mehr als 30 Jahren, ist trotz ihres Umfangs keine Retrospektive. Fast keine Leihgaben sind in dieser von Büttner selbst dicht gehängten Schau zu sehen, nur Bilder aus seinem Besitz, vornehmlich neuere. Die Absicht ist also vom Autor gelenkt. Die "Last Lecture" ist eine Vorlesung ironischer Pädagogik in Bildern. Unterteilt in sieben Kapitel mit lakonischen Titeln demonstriert er die erzieherischen Maßnahmen und Prämissen eines moralischen Künstlers, der nicht belehren möchte. Der aber klare Feinde hat. Und die haben eine gemeinsame seelische Verunstaltung: die Heuchelei.

Etwa wenn es um die lebendige Ideologie der Wirtschaftspolitik geht, dass jeder seines Glückes Schmied sei. Da hat Werner Büttner unter dem Kapitel "Geworfenheit und Verstrickungen" doch einige Widersprüche anzumerken: "Bloß keine Illusionen" nennt er sein düsteres Selbstporträt aus dem Jahr 1989, ein Kopf auf Hühnerfüßen vor einem umgestürzten Strommast. "Anpfiff zur Biografie" von 1998 zeigt einen Säugling im Angesicht der Hebammenhände, wie er bereits in zig Sinnstränge verstrickt ist. Und es gibt den giftgelben Kinosaal für Aussitzer, in dem der realistische Film läuft "Warum nicht aussterben?", eine Arbeit von 2018. Konsequent hält sich der Skeptiker an ironische Sinnbilder, um über die Untauglichkeit der kapitalistischen Leistungsmoral zu spotten, ihre Behauptungen und Versprechungen auch wirklich einzulösen.

Büttner liebt die Philosophie, aber er glaubt ihr nicht. Und er ist ein politischer Künstler, der den Zwang von Programmen fürchtet. Aus dieser literarisch fundierten Ambivalenz heraus schützt er seit vierzig Jahren auch die Umwelt des Gemäldes: den guten Titel. Fast immer kämpfen Motiv und Text bei Werner Büttner darum, wer besser ist, aber erst zusammen ergeben sie den typischen weisen Büttner-Humor. Im Doppelkapitel "Aus dem Leben der Götter/der Loser" ist der blutunterlaufene Gottesblick durchs Dreifaltigkeitsdreieck ein "Symbol mit Brillenhämatom". Ein trauriger Hund auf einem Feldweg weiß: "Vermutlich wird auch der Tod eine Enttäuschung sein." Und acht Kosaken in Rückansicht sind "Die Avantgarde von hinten".

Wobei diese Methode der komischen Ansprache auch einen Nachteil hat, der vermutlich mit verantwortlich dafür ist, dass aus der alten Hamburger Seilschaft Büttner-Oehlen-Kippenberger der hier Gewürdigte am wenigsten Weltruhm ansammeln konnte. Das einzelne Gemälde wirkt selten als Kunstwerk so komplex, dass man sich in die malerische Vielfalt vertiefen kann. Erst in der langen Erzählung, wie sie die Hamburger Ausstellung mit rund 170 Gemälden und Collagen bietet, entblättert sich der interessante Kosmos aus Satire und Empathie, aus dem diese Kunst ihre Tiefe gewinnt.

Der Faktor des Mitgefühls dürfte dabei vermutlich von den meisten Betrachtern eher übersehen werden. Das ständige Anmalen gegen Denkverbote, gegen Starkströmungen des Angesagten und engstirnige politische Korrektheiten, das Büttner sein Leben lang betrieb, mag zu dem Gedanken verführen, alles bei ihm sei bockige Opposition gegen den Schwarmgehorsam des Zeitgeschmacks. Aber wenn Büttner Flohmarktbilder kauft, um sie in seiner Bearbeitung zu "heilen", wenn er Magrittes "Le Barbare" neu malt, das deutsche Bomben zerstörten, oder immer wieder das vom Menschen geschundene Tier ins Zentrum seiner Kunstbotschaften stellt, hat das erstaunlich viel von "Gutes tun".

Der aussterbende Eisbär ist bei ihm ein schwarzer Bär in schwarzem Meer: "Arktis negativ"

Trotz aller Scheu vor Vereinnahmung wagt Büttner sich auch in die Nähe vernünftiger Propaganda für Umweltziele, wenn er den aussterbenden Eisbär auf dem schmilzenden Eis malt - zum ironischen Selbstschutz allerdings als schwarzen Bär in schwarzem Meer, Titel: "Arktis negativ". Der hängt in einem Saal mit Tiermotiven und der Kapitelüberschrift "Parallelkreaturen, zum Verbrauch freigegeben", ein Satz, der in seiner Deutlichkeit den Gedanken nahe legt, dass auch der lustigste Hopp-Frosch durch die zynische Ignoranz seiner Umwelt irgendwann an den Punkt gelangt, wo Humor nicht mehr weiter hilft - und der Mensch doch die Fackel der echten Wut anzünden muss.

Das tut Werner Büttner in dem begleitenden Katalog. In kurzen Texten erklärt er seine Überschriften, das Kapitel "Unvernunft keimt, wie Unkraut, schon bei Sternenlicht" etwa mit den Worten: "In den Collagen in diesem Kapitel gebe ich einen kleinen Einblick in die tobsüchtige Rasanz, mit der die Vernunftwidrigkeit alle Lebensbereiche unserer Zeit malträtiert. Ihre Kombinationen gehen auf mein Befremden und meinen Ekel zurück." Oder er druckt derbe Hassflugblätter von Magritte gegen die korrupte und verlogene belgische Oberschicht nach dem Zweiten Weltkrieg ab, die man seiner Meinung nach heute wieder an die Herrschaften mit Macht und Einfluss schreiben müsste.

Deshalb ist diese Ausstellung auch keineswegs eine dieser kuratierten Altreifensammlung, die zu späten Berufs- oder Geburtsjubiläen für verdiente Künstler eingerichtet werden. Die überhaupt erste Schau in der Hamburger Kunsthalle für einen der prägendsten Maler der Stadt ist mehr eine zornige und thematisch sehr aktuelle Fortbildung in engagierter Kunst, die sich nicht für große Preise verbiegt. Werner Büttner, der sich weniger im Dreieck mit Oehlen und Kippenberger verortet als mit James Joyce und Satan, tritt hier als Professor Unruh auf, der das moralische Versagen seiner Zeit nicht ertragen kann. Der aber weiß, dass niemand gerne Pessimisten zuhört. Doch wo Optimismus bekanntlich nur Mangel an Information ist, ist Pessimismus in diesem Fall ein Überfluss an Humor. Zu schade, wenn das wirklich die letzte Vorlesung ironischer Pädagogik von Werner Büttner wäre.

Werner Büttner: Last Lecture Show. Kunsthalle Hamburg. Bis 16. Januar. Der Katalog ist im Materialverlag der HfbK Hamburg erschienen und kostet 29 Euro.

Anmerkung der Redaktion: In diesem Beitrag wurde das Gemälde "Werner Büttner geht von Bord (2020)" als Werk Büttners gezeigt. Er unterschrieb jedoch am 3. Dezember eine Unterlassungserklärung, in der er sich verpflichtet, das Gemälde nicht mehr auszustellen oder zu vervielfältigen. Hintergrund ist die Behauptung seiner ehemaligen Schülerin Meng Yin, die 2006 bei ihm ihr Diplom machte, das Werk sei ein Plagiat eines von ihr erstellten Scherenschnitts aus chinesischem Papier, den sie Büttner aus Dankbarkeit schenkte, und weil er ihm gefiel. Die Kunsthalle hat das Gemälde aus der Ausstellung entfernt und durch ein anderes ersetzt.

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