Kunsthalle Bremen:Der Zeit voraus

Vor fast 200 Jahren gründeten Bremer Bürger den Kunstverein, der bald eine eigene Halle baute. Das war nicht die letzte mutige Aktion der Kunstfreunde. Auch inhaltlich bewiesen sie immer wieder Mut zu Neuem und Ungewöhnlichem und waren damit ihrer Zeit voraus.

Von Johanna Pfund

Nur noch drei Jahre, dann darf in Bremen gefeiert werden: Der Kunstverein wird 2023 bereits 200 Jahre alt. Das Jubiläum an sich ist schon ein stattliches, nicht minder beachtlich ist aber auch das, was diese Bürger-Institution über Revolutionen, Reichsgründungen und Kriege hinweg erhalten, getragen und erweitert hat, nämlich eine Kunstsammlung von Rang und ein eigenes Museum.

Der Bremer Senator Hieronymus Klugkist gründete 1823 gemeinsam mit 23 weiteren Bürgern den Kunstverein. Erklärtes Ziel war es, den "Sinn für das Schöne zu verbreiten und auszubilden". Die Bremer begnügten sich nicht damit, über Schönem zu sinnieren, sondern organisierten bereits sechs Jahre nach der Gründung ihres Vereins die erste Ausstellung. Der Schwerpunkt lag auf einer kunsthistorisch bis heute unbestritten wichtigen Phase, dem Goldenen Zeitalter, holländischer Malerei des 17. Jahrhunderts.

Und der Pflege des Schönen gaben die rührigen Bremer auch so bald wie möglich einen eigenen Ort: 1849 wurde die neu erbaute Kunsthalle eröffnet, finanziert von Klugkist, seiner Stiftung und vielen weiteren Mäzenen. Die Bürger hatten einen Meilenstein gesetzt. Und sie waren auch stolz darauf, wie sie in der Mitteilung zur Eröffnung vermerken: "... nicht das Decret einer öffentlichen Behörde hat es errichtet". Dieser Maxime sind die Bremer über die 200 Jahre hinweg weitgehend treu geblieben. Die erste Erweiterung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde wiederum von den Bürgern gestemmt. An der bislang jüngsten baulichen Ergänzung im Jahre 2011 beteiligten sich auch Stadt und Land, ein Drittel der Kosten aber stemmten wieder Verein und Spender.

Gründer Klugkist stiftete dem Verein seine Dürer-Sammlung

So weit das bauliche Engagement. Natürlich sollte das Schöne auch das Haus füllen. Wiederum war es Initiator Klugkist, der mit gutem Beispiel voranging und seine Dürer-Sammlung an die Kunsthalle spendete. Seitdem ist die Zahl der Papierarbeiten deutlich gestiegen: Mehr als 200 000 Blätter gehören dem Verein mittlerweile. Bei Dürer und dem Goldenen Zeitalter ist man auch nicht stehen geblieben. Die Sammlung umspannt 600 Jahre Kunst. Rembrandt ist ebenso vertreten wie Werke von Sarah Morris.

Relativ früh leistete sich der Kunstverein eine professionelle Führung. Gustav Pauli wurde 1899 zum ersten künstlerischen Direktor des Hauses ernannt. Mit Pauli hatten sich die Bremer einen mutigen Direktor eingekauft. Er lud Paula Modersohn-Becker, heute eine der berühmtesten Malerinnen, die mit Bremen verbunden sind, ein, sich an einer Ausstellung zu beteiligen. Damit war er aber seiner Zeit voraus: Frau und modern, das löste einen Aufschrei aus. Die Werke von Modersohn-Becker und Marie Bock mussten aus der Schau entfernt werden.

Einen weiteren, schließlich sogar deutschlandweiten Streit löste Pauli gut zehn Jahre später mit einem Ankauf aus. Vincent van Goghs "Mohnfeld" ist heute unbezahlbar viel wert. Der Künstler Carl Vinnen hingegen war der Ansicht, dass deutsche Museen auch deutsche Kunst zu sammeln hätten. Die Auseinandersetzung schlug hohe Wellen. Ihr "Mohnfeld" aber behielten die Bremer.

Dem Künstler van Gogh setzen sie auch in der aktuellen Ausstellung "Ikonen" mit einem seiner Selbstbildnisse ein Denkmal. So ändern sich die Zeiten.

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