Süddeutsche Zeitung

Kunstgeschichte:Pollock privat

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Eine Ausstellung in der American Contemporary Art Gallery

Von Evelyn Vogel, München

Als Jackson Pollock 1956 bei einem selbst verursachten Autounfall im Alter von 44 Jahren starb, war er bereits Legende. Da hatte der amerikanische Maler, Spitzname "Jack the Dripper", die internationale Kunstszene mit eben jenen Drip-Paintings längst erobert und war auf dem besten Wege, als der bedeutendste amerikanische abstrakte Expressionist zu gelten. Seine Frau, die Malerin Lee Krasner, die ihre eigene Karriere für das als schwierig und alkoholsüchtig geltende Genie aufgegeben hatte, sorgte nach seinem Tod dafür, dass Pollocks Nachruhm weiter stieg. Was sich unter anderem darin ausdrückte, dass seine Arbeiten auf zahlreichen wichtigen Ausstellungen wie den Documenten II und III gezeigt wurden und die Preise international stetig stiegen. So weit die bekannte Seite Jackson Pollocks.

Die American Contemporary Art Gallery in München zeigt nun in Zusammenarbeit mit dem Neffen Pollocks, Jason McCoy aus New York, eine Ausstellung, deren Titel "Jackson Pollock: Simply Is, Up Close and Personal" geradezu Programm ist. Sie offenbart eine andere Seite des von Wutausbrüchen und Selbstzweifeln geplagten, zwischen Schaffensdrang und Arbeitsblockade mitunter verzweifelnden Künstlers. Persönlich, fast intim, mit etlichen Arbeiten und Fotos aus dem Familienbesitz. Das fängt schon mit dem Bronzeguss eines Gesichtsreliefs an, das Jackson kurz nach dem Tod des Vaters in einen Stein geschnitten hatte, den er von seinem Bruder Sanford erhalten hatte. Und setzt sich fort in den sechs Drucken aus dem Jahr 1951, die er, ebenfalls mit Hilfe Sanfords, ausnahmsweise auf Seide druckte. Sie stammen aus der kurzen Periode, in der sich Jackson Pollock überhaupt für dieses Material interessierte.

Wobei er sich ja an zahlreichen Techniken und in vielen Stilen ausprobierte, bevor er das Drip-Painting erfand und damit berühmt wurde. Auch sechs Kupferstiche von Platten, die erst nach seinem Tod auf dem Dachboden des Pollock-Krasner-House auf Long Island entdeckt wurden und von denen unter Aufsicht der Familie in teils Fünfziger-, teils Zehnerauflage Blätter gedruckt wurden, zeugen von Pollocks Neugier und Experimentierfreude - aber auch von seiner Suche nach der ihm adäquaten Ausdrucksform. Die Drucke sind hier erstmals zu sehen.

Und dann sind aus der Serie "Notebook" sechs Blätter ausgestellt, die vermutlich einen der intimsten Einblicke in das Unter- und Unbewusste Jackson Pollocks geben. Keiner weiß genau, warum er Anfang der Fünfzigerjahre ausgerechnet japanisches Luftpostpapier dafür benutzte - in Zeiten des Kalten Krieges zwischen Japan und den USA. Gelblich, hauchdünn, mit entsprechend senkrechten statt waagerechten roten Linien und dem roten Bildchen eines Doppeldeckerflugzeugs mit ein paar japanischen Schriftzeichen versehen in der oberen linken Ecke.

Vielleicht nahm alles seinen Anfang damit, dass ein solcher Block in jenen Jahren neben dem Telefon im Hause Jackson Pollocks lag und der Künstler während des Telefonierens darauf herumkritzelte. Bei einem Blatt sind die Kringel und Linien, die Kanten und Schraffuren so hart mit dem Stift hineingedrückt, dass man sie fast eins zu eins spiegelbildlich auf der Rückseite sehen kann und sie das Papier zum dreidimensionalen Schriftrelief machen. Auf einem Blatt scheint Pollock Nummern in abstrakte Formen zu übersetzen, bei einem anderen überlagern deutlich großzügiger ausgeformte Tuschezeichen die Kugelschreiberformen. Und wieder andere wirken wie mit abstrakten Tuschestrichen ausgeführte Vorläufer der Drip-Paintings.

Aus dieser Hochzeit stammen unübersehbar die beiden kleinen, über und über mit Farbklecksen bedeckten Hocker, die aus dem Atelier Pollocks stammen und von der Familie fast schon fetischartig verehrt werden. Zusammen mit den alten Porträtaufnahmen Pollocks verleihen sie der Ausstellung in der American Contemporary Art Gallery jedenfalls einen noch persönlicheren Charakter.

Jackson Pollock: Simply Is, Up Close and Personal, American Contemporary Art Gallery, Maximilianstraße 29, bis 30. März, geöffnet nach Vereinbarung, t 29 16 12 00, Mail: info@usa-art-gallery.de

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Quelle:
SZ vom 09.03.2019
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