Kunstfälschung:"Es gibt ein Immendorff-Problem"

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Im Kunsthandel kursieren etliche gefälschte Bilder Jörg Immendorffs. Galerist Michael Werner fordert juristische Schritte.

Stefan Koldehoff

Dass dieses Bild kein echter Immendorff sei, sagt Michael Werner und tippt auf den Katalog, der vor ihm liegt, das sehe man schon beim ersten Hinsehen.

Der Raum, die Köpfe, die Schrift - so habe der Künstler nie gemalt. Dieses Bild, fügt Immendorffs langjähriger Galerist und Nachlassverwalter dann hinzu, sei allerdings nicht das einzige, bei dem er Zweifel habe: "Es gibt ein Immendorff-Problem, und das müssen wir lösen."

Gut ein Jahr nach dem Tod des Malers muss sich der Kunsthandel mit einer Debatte um die Echtheit Dutzender seiner Werke befassen.

Wenn der Assi malt

Von spätestens Ende der achtziger Jahre an, so lautet der Vorwurf, seien in Immendorffs Atelier von dessen Assistenten Gemälde kopiert und dann - ohne Beteiligung von Michael Werner - als Originalarbeiten verkauft worden.

"Ich wusste, dass er nebenher auch selbst verkaufte", bestätigt Werner, der Immendorffs Werk seit 1971 vertritt. "Manchmal fehlten Bilder, von denen wir Fotos im Galeriearchiv hatten. Wenn ich Jörg danach fragte, sagte er, sie seien ihm wohl gestohlen worden."

Immendorffs Werke hätten sich damals, ergänzt der Düsseldorfer Kunsthändler Helge Achenbach, "eher mühsam verkauft.

Der Boom setzte erst ein, als seine tödliche Erkrankung bekannt wurde und man vor diesem Hintergrund mit Immendorffs Arbeiten zu spekulieren begann." Weil Immendorff in den Achtzigern für seinen Lebensstil Geld benötigte, habe er die Bilder direkt aus dem Atelier verkauft.

Kokain mit Bildern bezahlt

Als er 2004 vor Gericht stand, gestand der Maler, dass er seit den frühen neunziger Jahren regelmäßig Kokain konsumiert habe. Die Droge soll er auch mit Bildern bezahlt haben, die seine Assistenten für ihn malten, die Immendorff anschließend signierte und für die er auch Echtheitszertifikate ausstellte.

"Es geht wohl", schätzt Achenbach, "um 50 bis 100 Bilder, die seine Signatur tragen." Betroffen seien zahlreiche deutsche Auktionshäuser, fügt Werner hinzu.

Fragwürdige Immendorffs seien schon im Wiener Dorotheum, bei Van Ham in Köln und in München bei Neumeister und Karl & Faber aufgetaucht. Nicht alle Häuser hätten die Bilder vor der Versteigerung zurückgezogen, so Werner: "Das ist ein sehr großes Problem."

An die Öffentlichkeit kam das in Kunsthandelskreisen schon länger bekannte Problem erst, als vor neun Tagen eines der umstrittenen Bilder in München versteigert werden sollte.

Wasserdichter kann eine Provenienz kaum sein

Auktionator Robert Ketterer hatte keinen Anlass, an der Echtheit des Gemäldes zu zweifeln, das ein süddeutscher Privatsammler eingeliefert hatte. Die 120 mal 160 Zentimeter große Leinwand zeigte "Café de Flore", eines der bekanntesten Immendorff-Motive. Sie war unten rechts gut sichtbar signiert und wurde begleitet von einer Fotoexpertise: Jemand hatte eine Aufnahme des Bildes auf Immendorffs Briefpapier getackert, Bogen und Foto gestempelt und mit Immendorffs Unterschrift die Eigenhändigkeit bestätigt.

Außerdem versicherte der Erstbesitzer eidesstattlich, dass er das Gemälde im Atelier gekauft habe. Wasserdichter kann eine Provenienz kaum sein.

Trotzdem wurde das auf 90 - 120.000 Euro geschätzte Werk in der Ketterer-Auktion am 5. Juni zunächst nur unter Vorbehalt zugeschlagen und schließlich doch nicht verkauft. Zwei Wochen vor der geplanten Versteigerung erfuhr Robert Ketterer von Werners Zweifeln.

Kontrolle entglitten

Der Auktionator ließ das Café-de-Flore-Gemälde nach Düsseldorf zu Helge Achenbach bringen. Der sprach unter anderem mit Immendorffs ehemaligem Assistenten Markus M., ließ sich die Eigenhändigkeit von Signatur und Expertise bestätigen, fand aber mit Hilfe von Farbausdrucken auch heraus, dass es sich bei dem Bild nur um eine der offenbar zahlreichen Werkstattkopien handelt.

Werner bezweifelt auch die Echtheit der Signatur und des undatierten Zertifikates und verweist darauf, dass dem Künstler möglicherweise längst die Kontrolle entglitten war: "In den letzten fünf, sechs, sieben Jahren ist bei Immendorff im Atelier alles Mögliche passiert. Dort war acht Stunden am Tag Betrieb, er selbst konnte aber nur noch höchstens eine Stunde am Tag selbst anwesend sein."

Vor etwa fünf Jahren, erinnert sich Werner, habe er schon einmal versucht, gegen Fälschungen vorzugehen: "Damals tauchten bei einem vorbestraften Ex-Fahrer von ihm rund 25 gefälschte Gemälde auf, und ich habe die Kriminalpolizei eingeschaltet. Immendorff bat mich aber, die Sache nicht weiter zu verfolgen.

Man hatte ihn massiv körperlich bedroht." Immendorffs Witwe, sagt Werner später, habe den meisten Mitarbeitern ihres Mannes gekündigt.

Zweifelhafte Vermehrung

Eine Beteiligung des Künstlers an der zweifelhaften Vermehrung seines Werkes durch Dritte will der Galerist allerdings auch nicht ausschließen: "Seine ,Café Deutschland'-Linolschnitte hat er x-mal wiederholt, kolorieren lassen und zum Teil sogar auf Leinwand abgezogen.

Dann kam die Schwemme der Affenskulpturen. Ich war daran nicht interessiert - also hat er sich damit an Achenbach gewandt. Vergrößerungen, Verkleinerungen, Varianten - ich habe Immendorff mehrfach geraten, seinen Ruf nicht zu beschädigen. Aber darum hat er sich nicht gekümmert, vielleicht auch, weil ihm das alles zu viel war. Das Ganze ist eine Viperngrube."

In seinem Testament hat Immendorff Michael Werner autorisiert, festzustellen, was echt und was falsch ist. Der Galerist hat nun den Kunsthistoriker Siegfried Gohr damit beauftragt, das wissenschaftliche Werkverzeichnis zu erarbeiten: "Wir beginnen mit den jüngsten Arbeiten, dann kommen das Frühwerk und zum Schluss die Mitte, und damit die Probleme."

Signierte Kopie

Dann müsse der Status der Bildkopien aus Immendorffs Atelier endlich geklärt werden, fordert auch Helge Achenbach. "Sie geistern seit längerem auf dem Markt herum, und das ist nicht gut. Es handelt sich nicht um Originale, aber Fälschungen, wie Michael Werner behauptet, sind es auch nicht. Man könnte sie schon eher mit handsignierten Grafiken vergleichen."

Die allerdings sind deutlich preiswerter als Ölgemälde zu haben, und entsprechend reagierte Robert Ketterer beim "Café de Flore"-Gemälde, das er versteigern sollte: "Uns lagen Gebote über 100.000 und 145.000 Euro vor. Zu diesem Preis hätten wir das Bild aber guten Gewissens nur als Originalarbeit verkaufen können.

Nachdem wir wussten, dass es sich um eine Kopie handelt, haben wir es nicht verkauft und dem Einlieferer angeboten, es gern neu als das anzubieten, was es zu sein scheint: eine signierte Kopie. Mir fehlen jetzt zwar 30.000 Euro Provision, aber das ist mir lieber als der Vertrauensverlust, wenn ich eine Kopie als Original verkauft hätte."

Die Einlieferer der Atelierkopien bei den verschiedenen Auktionshäusern seien namentlich bekannt, weiß Michael Werner: "Ich halte juristische Schritte für sinnvoll - um den Namen Jörg Immendorff nicht noch weiter zu beschädigen."

© SZ vom 14.06.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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