Kunstfälscherskandal:Helene singt

Der Saal Nummer 7 im Kölner Landgericht ist rappelvoll. Dann fließen die Tränen, als Frau und Schwägerin des Haupttäters ihre Geständnisse ablegen. Doch bei der strafrechtlichen Aufarbeitung des größten und raffiniertesten Kunstfälscherskandals der Nachkriegsgeschichte bleiben Fragen offen.

Renate Meinhof

Es gibt im Kölner Landgericht eine Reihe Menschen in inventargrüner Justizbeamtenkleidung, die sehr froh sind, wenn die ganze Kunstfälschergeschichte möglichst schnell abgefeiert wird. Und so wird es auch kommen. Für sie, die Inventargrünen, ist es nämlich nicht leicht, an so einem Prozesstag den Überblick zu behalten.

Kunstfälscherskandal: "Viel Spaß gehabt": Helene Beltracchi als Großmutter Josefine Jägers vor gefälschten Bildern. Ein Foto, das die Echtheit der Gemälde bezeugen sollte.

"Viel Spaß gehabt": Helene Beltracchi als Großmutter Josefine Jägers vor gefälschten Bildern. Ein Foto, das die Echtheit der Gemälde bezeugen sollte.

Zuschauer, als Beispiel nur, drängen sich im Gerichtssaal dahin, wo eigentlich die Presse sitzen soll. Am zweiten Tag, als der Vorsitzende Richter gerade die Sitzung geschlossen hatte, flocht sich sekundenschnell ein Menschenknäuel um Wolfgang Beltracchi, den Fälscher, so dass dieser plötzlich den Blicken seines Wärters entschwunden war. Einen Moment nur, aber der Wärter erzählt, ihm sei das Herz in die Hose gerutscht. Sein Kollege aber habe gelächelt und gesagt: "Na denn such' man schön".

Der Donnerstag war, aus inventargrüner Sicht: schlimm. Ab 9 Uhr 30 saßen die vier Angeklagten des Fälscherprozesses in Saal Nummer 7 im Erdgeschoss. Helene Beltracchi, die Frau des Fälschers, und Jeanette Spurzem, Helenes Schwester, haben ihre Geständnisse abgelegt. Die Stuhlreihen gut besetzt.

Um 12 Uhr 30 dann sollte Henrik Hanstein, Chef des Kunsthauses Lempertz, in Saal Nummer 117 als Beklagter vor der Richterin erscheinen. Er kam aber nicht und schickte seinen Anwalt.

Bei Lempertz wurde 2006 das "Rote Bild mit Pferden" versteigert, von Wolfgang Beltracchi 2005 im Stile Heinrich Campendonks gemalt, aus eben jener "Sammlung Werner Jägers", die er erfunden hatte, um seinen Werken eine schöne Provenienz zu verschaffen. Der Mann mit dem lockigen Haar hatte den größten und raffiniertesten Kunstfälscherskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte ausgelöst. Drei der Angeklagten sitzen seit einem Jahr in Untersuchungshaft.

"Gier und Verdorbenheit"

Am vergangenen Dienstag hat Beltracchi gestanden und auch gegen Henrik Hanstein Vorwürfe erhoben. Von "Gier und Verdorbenheit" hatte der Fälscher gesprochen, von Unredlichkeit. Fünf Bilder aus der Jägers-Quelle wurden allein bei Lempertz versteigert.

Um das "Rote Bild mit Pferden" tobt seit drei Jahren ein Zivilrechtsstreit. In Saal 117 wird es deshalb am Donnerstag um genau 2.448.000 Euro gehen, und die Frage, wer am Ende darauf sitzen bleibt.

Aber erstmal: hinein in den Saal Nummer 7, Erdgeschoss. Helene Beltracchi ist 1958 geboren und, wie ihr Mann, gesegnet mit dickem langem Haar. Ich habe Kraft, sagt das Haar, und deshalb erschrickt man fast, wenn dieser knochigen Frau die Tränen in die Stimme sickern.

Fünf Kinder am Tisch

Am zweiten Prozesstag hatte sie geweint, es schwemmte nur so aus ihr heraus. An diesem Donnerstag hat sie auch geweint. Sie weint immer nur dann, wenn sie von ihrer Mutter spricht. Die Mutter war Hausfrau, der Vater Kraftfahrer, fünf Kinder am Tisch.

Eine Ahnung von Trotz

Die Mutter habe alles getan, damit die Tochter sich Bücher kaufen konnte, erzählt sie. Geld für "höhere Bildung" sei nicht da gewesen. Es ist das Bild einer sorgenden Frau, das sie da mit Worten zeichnet. "Ihr schafft das trotzdem, ihr habt Talent", habe die Mutter zu ihren Kindern gesagt. Trotzdem.

Screenshot Beltracchi

Im Gefängnis porträtiert er gern mal seine Wärter - und sich selbst. Die gerade entstandene Webseite des Wolfgang Beltracchi.

(Foto: Screenshot: SZ)

Es ist eine Ahnung von Trotz, den man in Helene Beltracchis Zügen entdeckt, wenn man sie eine Weile beobachtet, wie sie da sitzt, von ihrem Mann nur durch die Anwälte getrennt.

Ich schaff' das schon", sagt sie, als der Vorsitzende Richter, des Weinens wegen, eine Unterbrechung anbietet.

Und sie hat es ja auch geschafft. Sie haben Millionen verdient mit den gefälschten Bildern, die beiden, die sich täglich Dutzende Seiten Briefe schreiben in der Haft. In seinem Geständnis hat Wolfgang Beltracchi gesagt: "Schonen Sie bitte meine Frau, die sich nie im Leben strafbar gemacht hätte, wenn sie mich nicht kennengelernt hätte, und ich nicht Fälscher gewesen wäre, sondern einen ehrbaren Beruf gehabt hätte."

Ja, kann schon sein. Das Ganze aber muss Helene Beltracchi auch einen Heidenspaß gemacht haben, zum Beispiel die Sache mit den Fotos. Drei Fotos stellten die beiden in ihrem Haus in Südfrankreich her. Fotos, die beweisen sollten, dass die angebotenen Bilder tatsächlich vom Großvater Werner Jägers stammten und an seine Enkelinnen vererbt worden waren. Denn diese Legende war es, die Helene Beltracchi und ihre Schwester erzählten, wenn ein Bild auf den Markt gebracht werden sollte. Am Dienstag hatte Wolfgang Beltracchi auch erzählt, wie er sie gemacht hat, die Fotos, damals unter südlicher Sonne, in ihrem Haus in Meze.

Rollfilmkamera vom Flohmarkt

Meine Frau hat sich ein schwarzes Kleid angezogen und die Haare im Stil der damaligen Zeit hochgesteckt." So verwandelte sich Helene Beltracchi in ihre Großmutter Josefine, Werner Jägers' Frau.

Wolfgang hatte auf dem Flohmarkt eine alte Rollfilmkamera gekauft, altes Fotopapier dazu. Die Ränder hat er beschnitten, wie es üblich war - zu Großmutters Zeiten. Dennoch gab er aus Vorsicht nie die Originale aus der Hand, sondern schickte Scans per E-Mail an die Experten und Auktionshäuser.

"Wir haben da richtig Spaß gehabt", sagte Wolfgang Beltracchi am Dienstag.

Auch seine Frau hat nun in ihrem Geständnis Henrik Hanstein, den Lempertz-Chef, angegriffen. Es sei mit dem Kunsthaus abgesprochen worden, dass vor dem Verkauf eine Expertise für den (vermeintlichen) Campendonk eingeholt werde. Tatsächlich aber wurde das Bild ohne schriftliche Expertise verkauft.

Immer mehr eine "Eigendynamik"

Als der Zivilrechtsstreit um das "Rote Bild mit Pferden" schon in Gang gekommen war, erzählt Helene, habe Hanstein sie angerufen und nach Echtheitsnachweisen gefragt, ob es nicht, zum Beispiel, alte Fotos gebe, auf denen die Gemälde zu sehen seien.

So haben sie ihm denn die Fotos geschickt: Helene so kraftvoll und ernst und mit hochgestecktem Haar. Und um die Echtheit des Bildes nachzuweisen, hat sie auch ihre eigene Mutter mit hineingezogen, sie um eine Bestätigung gebeten, dass ihr das "Rote Bild mit Pferden" aus ihrer Kindheit bekannt sei.

Die Mutter hat das für ihr Kind, das es "trotzdem" schaffen sollte, schriftlich bezeugt. Sie hatte keine Ahnung, was sie da unterschrieb. "Ich habe meine Mutter betrogen und getäuscht", wird Helene am Ende ihres Geständnisses sagen, "und dafür schäme ich mich sehr".

Alles habe immer mehr eine "Eigendynamik" bekommen, "ich hätte es anfangs niemals für möglich gehalten, dass die renommiertesten Kunsthistoriker auf die Fälschungen meines Mannes reinfallen würden. Das Ganze erschien mir einfach absurd."

Sie sagt: "Man schien sich dann auch in der Szene kein bisschen zu wundern, dass die angeblich verschollenen Bilder plötzlich auftauchten und zum Verkauf angeboten wurden. All dies erscheint mir nach wie vor paradox". Man hat es ihnen leicht gemacht, will sie sagen. Karl-Sax Feddersen, Justiziar des Hauses Lempertz, sagt später, im Neonlicht des endlosen Gerichtsflurs im Erdgeschoss: "Das ist doch klar, dass die Beltracchis jetzt mit Dreck werfen."

Drei Stunden später und einen endlosen Flur höher, bleibt der Stuhl für den Mann, der gerade so mit Dreck beworfen wird, leer. Er muss sich das ja auch nicht antun. Im Rahmen des Rechtsstreits um das Campendonk-Bild aus der Hand des Wolfgang Beltracchi ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Prozessbetruges.

Er soll wichtige Informationen unterschlagen und damit die Aufklärung des Falles verzögert haben. An dem Beltracchi-Bild hat Hansteins Haus einst 841.920 Euro verdient. 432.000 hat er Ende März an die Käuferin des Bildes, die Trasteco Limited auf Malta, überwiesen.

Sachverständige gesucht

Und der Rest? Vor der Anwältin der Klägerseite, Friederike Gräfin von Brühl, stehen drei Aktenordner auf dem Tisch. Auf jedem Rücken klebt ein Foto vom Bild mit den "Roten Pferden". Die Sitzung dauert nicht lange. Die Frage, ob Henrik Hanstein die Sorgfaltspflicht verletzt hat, bleibt unbeantwortet.

Ein Sachverständiger für den Kunstmarkt, ein Experte soll das beurteilen, sagt die Richterin. Aber wer? Unbelastet muss er sein. Unparteiisch muss er auch sein. Namen fallen in den Raum wie draußen die ledrigen roten Blätter von den Bäumen. Nach wenigen Minuten hat man den Eindruck, dass man solche Menschen gerade mit der Lupe suchen muss.

Wolfgang Beltracchi hat jetzt übrigens eine eigene Website. Er hat sich selbst gezeichnet, vor roten Gittern und ernster, als er tatsächlich ist. Über "zukünftige Projekte" wolle er berichten, steht da. Projekte. Er braucht nun wieder, was er immer gebraucht hat: Geld.

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