Süddeutsche Zeitung

Kunstbuch:Plädoyer fürs Staunen

Konrad O. Bernheimer hat eine "Gebrauchsanweisung fürs Museum" geschrieben. Darin nimmt der Münchner Kunsthändler die Leser mit auf eine Entdeckungsreise zu den Alten Meistern in aller Welt

Von Evelyn Vogel

Wahrscheinlich können nicht viele Menschen von sich behaupten, sie seien im Museum aufgewachsen." Natürlich ist auch Konrad O. Bernheimer, der aus einer Münchner Kunsthändlerdynastie stammt und dessen Familie während der Zeit des Nationalsozialismus emigrieren musste, nicht in einem Museum "aufgewachsen". Aber der Museumsbesuch gehört für den in Venezuela geborenen, im Alter von vier Jahren mit einem Teil der Familie nach München zurückgekehrten Bernheimer so zwingend zu seiner Kindheit, seiner Karriere und schließlich zu seinem ganzen Leben, dass man dem heute 69-Jährigen diese Vereinnahmung des Museums gerne nachsieht.

Mit diesem ersten Satz in seinem Buch "Gebrauchsanweisung fürs Museum" (Piper Verlag) gibt Bernheimer den Ton vor, in dem er seine Leser mitnimmt auf eine Entdeckungsreise zu den Alten Meistern in Museen und Sammlungen in aller Welt. Es ist ein sehr persönlicher Ton, geprägt von vielen Erinnerungen des Kunstliebhabers, -sammlers und -händlers an Museums- und Kirchenbesuche, an privilegierte Entdeckungsreisen zu Privatsammlungen und an exklusive Führungen durch Palazzi und Villen voller Kunst. Und immer führt er seine Leser zu Alten Meistern, die - wie er schreibt - "einen anderen Zugang erfordern" als die Malerei späterer Stilrichtungen, ganz besonders der Zeitgenössischen Kunst, die "vom Kunstmarkt mit seinen explodierenden Preisen" und von einem "ungebremsten Kommerz" geprägt sei. Die Marktentwicklung habe er falsch eingeschätzt, als er einst vor dem "Platzen der Blase" warnte und dafür "Lügen gestraft" wurde, wie der Grandseigneur des Münchner Kunsthandels freimütig bekennt.

Sein Aktionsfeld und Lieblingsgebiet ist also das Altmeisterliche, dem er sich auch sprachlich mit einem mitunter altväterlich anmutendem Autorenplural zuwendet: "Von London reisen wir ...", "von Vermeer machen wir uns auf ...", oder wir fliegen "über den großen Teich", wo "wir" dann verweilen oder noch bleiben müssen, um uns - neben all den bedeutenden Kunstwerken - "die große Villa inmitten eines paradiesischen Parks" anzusehen oder die Köstlichkeiten eines nahe gelegenen Restaurants zu genießen. Die Vorzüge zeitgenössischer Museumsarchitektur können diesen Connaisseur ebenso begeistern wie der Charme original erhaltener Wohnhäuser großer Sammlerpersönlichkeiten.

Die oft schwärmerisch-poetische Sprache mag im 21. Jahrhundert ein wenig irritieren, allein: Sie passt zu diesem scheinbar immer lebensfroh gestimmten, optisch fast barock wirkenden Menschen, der sich seine Fähigkeit, stets neu ins Staunen zu geraten, bewahrt hat. Beobachten konnte man dies vor einiger Zeit bei der Florentiner-Ausstellung in der Alten Pinakothek. Da stand er vor der Marienverkündigung von Fra Filippo Lippi - einem Werk, das er nach eigenem Bekunden gewiss an die hundert Mal gesehen hatte, da es ja in der Alten Pinakothek zu Hause ist - und konnte sich daran kaum sattsehen. Wenn er dann in seinem Buch das Gemälde eine seiner "Lieblings-Verkündigungen" nennt und wortreich beschreibt, wie Lippi in der Zeit der Frührenaissance im gesellschaftlichen Umfeld der Medici den Auftrag für das Hochaltarbild erhielt und dem bekannten Motiv durch diverse Details zu einem ganz eigenen Ausdruck verhalf, dann wirkt diese Begeisterung zutiefst authentisch, und man kann sich ihr nur schwer entziehen.

Aber Konrad Bernheimer ist nicht nur ein Kenner und Schwärmer, er ist auch ein praktisch veranlagter Mensch. So nimmt er die "Gebrauchsanweisung" geradezu wörtlich, wenn er darauf hinweist, an welchem Eingang man den langen Schlangen vor dem Louvre entgehen kann und warum es wichtig ist, bei Besuchen in italienischen Kirchen stets etliche Euro-Münzen dabei zu haben. Er preist die Vorzüge gut gemachter Museumswebseiten und von Online-Tickets zur Vorbereitung und zur Planung eines Besuchs. Nur dass im Buch teils elend lange Webadressen zu Bildquellen abgedruckt sind, ergibt keinen Sinn. Da wäre ein QR-Code zum Scannen praktischer gewesen.

Auch wenn er Blockbuster-Schauen in Zeiten der Event-Kultur kritisch beäugt, erkennt er doch ihr Potenzial als "Eye-Opener" an - sofern sie gut gemacht sind. Insgesamt ist das ganze Buch aber ein Plädoyer, auch ohne besonderen Anlass ins Museum zu gehen. "Denn jedes Bild hat Ihnen eine Geschichte zu erzählen. Sie müssen nur hinsehen und hinhören!" Bei Konrad O. Bernheimer tut man das gern.

Konrad O. Bernheimer: Gebrauchsanweisung fürs Museum, Buchvorstellung: Do., 7. Nov., 19 Uhr, Jüdisches Gemeindezentrum, St.-Jakobs-Platz 18

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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