Süddeutsche Zeitung

Kunst:Zusammen unbegrenzt

Studenten entwickeln ein internationales Projekt. "Akvo - The Inauguration" heißt die Performance-Reihe, die Live-Streams mit einschließt, aber auch sehr physisch wird

Von Bernadette Rauscher

My name is ..." Jemand steht da, ernst und konzentriert. Mitte zwanzig, dunkle Locken und Bomberjacke. Zwei Finger taucht er in die Farbe und streicht sich einmal quer über sein Gesicht. Jemand hat zwei Striche auf der Wange, waldgrün, tannengrün. "My name is ..." Der Rest des Satzes verschwindet im Durcheinander der anderen, alle mit der gleichen Sorgfalt und Ernsthaftigkeit, alle mit der gleichen Indianerbemalung. "My name is ..." Der Rhythmus der Wörter ist der Rhythmus ihrer Bewegungen. Einer hält das Handy und filmt, sein Körper wirft einen Schatten an die Wand. Eine nimmt den Farbpinsel und fixiert ihn dort. Beats und Schummerlicht, Stroboskopeffekte, alle tanzen. "My name is ..." Nach fünf Minuten ist der Stream vorbei.

Am Anfang jedes Kennenlernens steht ein Name. Der dieses Projekts ist Akvo. Akvo, das Esperanto-Wort für Wasser. Wasser ist Leben und lässt sich nicht eingrenzen, jedenfalls nicht auf Dauer. Wasser ist wandelbar in seinem Zustand und schafft Verbindungen über weite Entfernungen hinweg. Und genau das möchte das Künstlerkollektiv hinter Akvo auch. 15 Studierende an der Akademie der Bildenden Künste in München aus insgesamt neun verschiedenen Nationen, darunter Kolumbien, Japan, Deutschland oder Italien, möchten gemeinsam durch ihre Herkunftsländer touren und Kunst in all ihren Facetten ausprobieren, sich gegenseitig bereichern, neue Perspektiven einnehmen. Die intermediale Performance-Reihe "The Inauguration" - die Einweihung - soll ganz im wörtlichen Sinne der feierliche Beginn dieser Reise sein.

16 Tage lang, seit dem 13. November, geschah jeden Tag eine Mini-Performance in der Galerie Foe, die Öffentlichkeit konnte via Instagram mit dabei sein. Ein Medium, das die Kunstwelt längst für sich entdeckt hat. "Mit den Livestreams erreichen wir auch ein Publikum, das sonst eher weniger in Galerien oder Museen geht", erklärt Nele Ka, die "The Inauguration" kuratiert und selbst Teil des Kollektivs ist. Jeder soll an dem Projekt teilhaben können, auch über räumliche oder soziale Grenzen hinweg. Und so auch mit den Künstlern in Kontakt treten können: Wer mitschaut, kann das Geschehen durch Kommentare mitgestalten, manchmal wendet sich das Kollektiv auch ganz bewusst mit Fragen an die User und baut sie in ihre Performance mit ein. Jeden Abend um 18 Uhr wurde gestreamt, live, nachträglich abrufbar ist nichts, der flüchtige Aufführungscharakter sollte auch in der digitalen Welt nicht verloren gehen.

Das Thema der Performances: Eröffnungsrituale. Oder vielmehr das, was später einmal zu einem Eröffnungsritual werden kann. "Bei Einweihungen oder anderen feierlichen Ritualen wirkt immer alles so perfekt inszeniert. Uns hat das interessiert, was sonst eigentlich verborgen bleibt - die Vorbereitungen, bei denen auch noch so viel schief gehen kann", erzählt Nele Ka. Die eigentliche "Inauguration" soll an diesem Freitag sein - eine Gruppenperformance, bei der das Publikum physisch mit dabei sein kann.

Zwei Wochen lang experimentierte das neu gegründete Kollektiv im digitalen Raum mit den unterschiedlichsten Riten aus aller Welt. Zusammen. Im Austausch. Für Nele Ka hat diese Arbeit durchaus auch einen politischen Charakter: "Wir sind so eine heterogene Gruppe. Das zu ergründen, voneinander zu lernen, sich inspirieren zu lassen, das ist etwas total Fruchtbares. Das wollen wir auch in die Welt hinaustragen." Die nächste Station ihrer Reise steht schon fest: Nach Italien soll es gehen, nach Abruzzo. Was genau dort entstehen wird, ist noch nicht klar, es wird sich auch aus dem regen Austausch mit der lokalen Künstlerszene ergeben. Denn bei Akvo soll es um mehr gehen als um bloßen Kunstgenuss. Um Empathie und Zuhören. Und um die Neugier auf den anderen, darauf, welcher Mensch sich hinter einem Namen verbirgt.

Akvo - The Inauguration, Fr., 29. Nov., 19 Uhr, Galerie Foe, Oberföhringer Str. 156. (Die Performance-Reihe wird veranstaltet von Platform in Kooperation mit der Galerie Foe)

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Quelle:
SZ vom 29.11.2019
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