Der Couturier Christian Lacroix wird heute im Wallraf-Richartz-Museum in Köln auftreten. Mit dem Gespräch eröffnet das Museum, das in diesem Jahr 150 Jahre alt wird, seine Jubiläumsveranstaltungen. Die erste Sonderschau - sie gilt dem französischen Maler Alexandre Cabanel - wird nämlich von Christian Lacroix "gestaltet", wie es in der Pressemitteilung heißt.
Nun ist gegen den Versuch einer Wiederentdeckung des Salonmalers nichts einzuwenden. Viele Museen widmen sich derzeit Künstlern des 19. Jahrhunderts, die von der Kunstgeschichte in den Hintergrund verbannt wurden, weil sie der Entwicklung in Richtung Moderne nicht folgten oder ihr sogar im Weg standen.
Hässlich oder unanständig
Der im Jahr 1823 geborene Cabanel ist ein Prototyp. Er feierte seinen Durchbruch ausgerechnet auf dem Pariser Salon des Jahres 1863, der vor allem deswegen in Erinnerung geblieben ist, weil sich dessen Jury damals Malern wie Edouard Manet oder Gustave Courbet verweigerte. Für deren Bilder, die Napoleon III. als hässlich oder unanständig empfand, wurde der "Salon des Refusés" gegründet.
Während Manets epochales "Frühstück im Grünen" draußen bleiben musste, triumphierte drinnen Cabanels "Geburt der Venus", eine rosig-rundliche Dame im Rokoko-Stil, die vom Hof angekauft wurde und Cabanel zum Star machte, bei dem der König von Bayern das Kolossalbild "Die Vertreibung aus dem Paradies" in Auftrag gab und den Herzoginnen wegen seiner Begabung für schmeichelndes, gedämpftes Kolorit und mildes Licht schätzten. Cabanel war Antipode, kein Wegbereiter der Kunst, die heute als bewahrenswert gilt, des Realismus dieser Zeit oder des sich anbahnenden Impressionismus.
Nun sind Museen dazu da, das künstlerische Erbe in Ausstellungen den nachfolgenden Generationen zugänglich zu machen - und zuweilen auch die Bewertungen zu revidieren. Doch klingt die Ankündigung der Schau nicht so, als werde man im hellen Licht des Diskurses den Spot auf die anreisenden sechzig Cabanel-Gemälde richten - eher, als herrsche auch hier die rosige Stimmung gedämpften Kolorits: Das Wallraf-Richartz-Museum verspricht nicht weniger als die "Wiederentdeckung eines Genies" in einer "opulenten Ausstellungsarchitektur", die Christian Lacroix seinem Lieblingsmaler als "Fest des Sehens" eingerichtet habe, schließlich, so raunt der Pressetext, seien die "bezaubernden Bilder" ja von einer "Geschichte des Geschmacks" aussortiert worden. "Cabanel by Christian Lacroix", das klingt parfümiert, reduziert kunsthistorische Bewertungen auf Geschmacksfragen und verwehende Moden - und gibt die Bühne frei für den Impresario, der, anstatt zu zeigen und zu argumentieren, dem Besucher seinen Cabanel als luxuriöses Geschenk überreicht.
Gefälliger Luxus
Das Kalkül des Museumsdirektors, der mit solchen Projekten auf Besucherzahlen spekuliert, ist kurzsichtig. Man verkauft das Renommee der unabhängigen Sammlung in kleiner Münze und den eigenen Berufsstand gleich mit. Der seit zwei Jahren bankrotte Modemacher, der sich in seiner Heimat auf die Gestaltung von Trambahnen und Theaterkulissen verlegt hat, konkurriert nun mit gestandenen Kunsthistorikern um die Deutungshoheit - und opfert die Ästhetik dem Effekt. Doch ist Köln kein Einzelfall.
Nur ein paar Kilometer entfernt hat sich ein zweites Museum dem gefälligen Luxus verschrieben. Das Osthaus Museum in Hagen zeigt "Flacons - Haute Couture der Düfte", eine Schau, die die "Kulturgeschichte von Parfum und Parfumgefäßen im Lauf der Jahrhunderte" erzählt. Gleich 14 Kabinette hat man der Schau frei geräumt, die von der ortsansässigen Parfümerie-Kette Douglas Holding AG unterstützt wird und alte Guerlain-Sortimente zeigt, Chanel-Zerstäuber und Fläschchen mit Golliwog-Köpfchen, das sind kleine zottelhaarige Figuren mit Grinselippen, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts den Mohren als Werbeträger ablösten: kitschig, albern, verächtlich.
Die Ausstellung ist eine Karikatur der Vision des Museumsgründers und Mäzens Karl Ernst Osthaus, der, mitten in der industriellen Revolution, durch Kunst "die Schönheit wieder als herrschende Macht im Leben" etablieren wollte. Er engagierte sich im Deutschen Werkbund, förderte modernes Bauen und ließ sich von Henry van de Velde ein Museum einrichten, das er mit zeitgenössischer Avantgarde ausstattete; Wuppertal sollte als Großstadt des Westens ein Gegenpol zu Berlin werden. Das war, aus der Kunst heraus gedacht, politisch, demokratisch, bildungsbürgerlich. Damals ging es um die künstlerische Durchdringung aller Lebensbereiche - heute um die Etablierung von Markennamen in der Sphäre der Kultur.
Grundsätzlich ist die Frage zu stellen, ob es sich die Kulturpolitik leisten kann, teuer finanzierte Häuser solchen Eindringlingen zu öffnen, wo es an eigenen Mitteln für Ausstellungen fehlt. Bis man darauf eine Antwort gefunden hat, sekundieren Museumsdirektoren wie Andreas Blühm dem wirbeligen Betrieb als Stichwortgeber mit Geplauder, heute Abend geht es erst einmal um "den Begriff der Schönheit im Lauf der Zeit, die (ewige) Vergänglichkeit von Mode und die (vergängliche) Ewigkeit von Kunst".