Kunst:Sturm und Schmalz

Kunst: Das Ölgemälde "Stürmische Heimfahrt" (1870) half mit, den Ruf Karl Raupps als Chiemseemaler zu begründen, da es ungezählte Male reproduziert wurde.

Das Ölgemälde "Stürmische Heimfahrt" (1870) half mit, den Ruf Karl Raupps als Chiemseemaler zu begründen, da es ungezählte Male reproduziert wurde.

(Foto: Heimatmuseum Prien)

Karl Raupp stammte zwar aus dem hessischen Darmstadt, galt aber als der Chiemsee-Maler schlechthin. Zu seinem 100. Todestag würdigt ihn nun das Heimatmuseum in Prien mit einer Ausstellung

Von Sabine Reithmaier

Die rührselige Schwelgerei missfiel seinem Lehrer Karl Piloty von Anfang an. Ihm sei der erzählende Gedanke zu sentimental, hatte er schon Karl Raupps erstes großes Bild "Die zwei Mütter" kritisiert. Vermutlich hätte er das auch zur "Stürmischen Heimfahrt" gesagt, einem riesigen Ölgemälde, das den Raum im Priener Heimatmuseum gut füllt: Eine vierköpfige bäuerliche Familie, die sich in einem Kahn durch den sturmgepeitschten Chiemsee kämpft. Die Kritik war Raupp, bei aller Verehrung für seinen Akademieprofessor, völlig egal. Seine schmalzige Genremalerei verkaufte sich ausgezeichnet. Da sie durch Reproduktionen und noch mehr durch Postkarten weit verbreitet wurde, machten die Bilder nicht nur den Maler, sondern vor allem den Chiemsee europaweit berühmt.

Karl J. Aß, Rosenheimer Kreisheimatpfleger und Leiter des Priener Heimatmuseums, hat anlässlich des 100. Todestags des Malers eine nicht nur kulturhistorisch interessante Ausstellung über den "Chiemsee-Raupp" organisiert. Denn jenseits seiner Klischeebilder war Karl Raupp ein guter "Landschafter". Er stammte übrigens nicht, wie man es von einem Chiemseemaler erwarten würde, aus Bayern, sondern aus Hessen. 1837 in Darmstadt geboren zog es ihn 1858 nach München. Dort studierte er von 1860 an bei Piloty an der Akademie. Später war Karl Raupp erst Professor an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg. 1880 wechselte er an die Münchner Akademie, erst als Lehrer des Antikensaals, dann als Leiter der "Vorschule". Schließlich übernahm er die Naturklasse und später die Mal- und Komponierschule - ein kontinuierlicher Aufstieg also.

Von 1869 an verlebte er die Sommermonate auf Frauenchiemsee. Die Schönheit der Insel hatte vor ihm schon der Landschaftsmaler Max Haushofer 1928 entdeckt, der mit Mitstreitern die Künstlerkolonie Frauenchiemsee gründete. Doch erst Raupp gelang es, den Chiemsee wirklich populär zu machen, was nicht alle begeisterte. Noch zu seinen Lebzeiten häuften sich die Klagen über die Massen an Sommergästen; besonderer Spott galt den Heerscharen an Malern. Die Karikaturen, die Aß zusammengetragen hat, sprechen Bände. Raupp verewigte sich auch regelmäßig in der Künstlerchronik, die der Malerpoet Josef Friedrich Lentner 1841 begründet hatte und in die sich seither alle, die auf der Fraueninsel künstlerisch arbeiteten, mit einer Illustration, einem Gedicht oder sonstigen Versen eintrugen. Die Künstler selbst beschlossen, die ersten drei Bände der Chronik zu ihrem Schutz in die Münchner Künstlergenossenschaft zu geben. Die Bände fielen, so dachte man jedenfalls lange, der Bombardierung des Münchner Künstlerhauses im Zweiten Weltkrieg zum Opfer.

Zwei Bände aber kehrten vor wenigen Jahren aus Frankreich auf die Insel im Chiemsee zurück, waren vermutlich 1945 von einem französischen Soldaten "gesichert" worden, berichtet Aß. Zum Glück hatten Karl Raupp und Franz Wolter bereits 1918 die Chroniken in Auszügen herausgegeben. Raupp selbst erlebte das Erscheinen der "ehrwürdigen erlesenen Chronik der Malerherberge auf Frauenwörth" aber nicht mehr, er starb im selben Jahr.

"Die Stürmische Heimfahrt", die er 1870 schuf, dürfte, glaubt Aß, das erste seiner Gemälde gewesen sein, das als Holzstich in Zeitschriften reproduziert wurde. Die Unterhaltungsblätter "Gartenlaube" oder "Über Land und Meer" veröffentlichten regelmäßig Raupps Idyllen. Auch in "Die Kunst für Alle", einer der auflagenstärksten und einflussreichsten Kunstzeitschriften (1885 bis 1944), ist der Maler regelmäßig mit seinen Stichen vertreten. Nicht überraschend, dass der Redakteur dieser Zeitschrift, der Maler und Kunstschriftsteller Friedrich Pecht, die Kunst der Avantgarde nahezu vollständig ausblendete. Dafür aber war er hingerissen von den Bildern, die Raupp 1888 in die Berliner Jubiläumsausstellung schickte, unter anderen das Gemälde "Der Friede", eine Frau mit Säugling in einem sanft schaukelnden Kahn. In Prien ist das Werk nur als Stich vertreten. Raupp hat das Motiv aber mindestens 14 Mal in unterschiedlicher Größe wiederholt. Das großformatige Gemälde kaufte die Nationalgalerie Berlin an.

Zwei Jahre später zeigte Karl Raupp in Berlin das ebenfalls überdimensionierte Gemälde "Reicher Fischzug". Plötzlich wird er nicht mehr besprochen. Er habe von 1895 an keine einzige Rezension mehr gefunden, berichtet Aß. Raupps Sujets waren aus der Mode gekommen. Weder seine stimmungsvollen Landschaften noch die Plein-Air-Studien noch die Ölskizzen, in denen er Details für die großen Gemälde ausarbeitete, waren auf dem Kunstmarkt noch gefragt.

Er hatte sich schlicht selbst überlebt.

Alles Raupp; Heimatmuseum Prien, täglich (außer Montag) 14 bis 17 Uhr, bis 1. Juli

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