Tintoretto-Ausstellung in Venedig:Strahlende Schatten

Tintoretto, Battesimo di Cristo, Chiesa di San Silvestro, Venezia

"Christi Taufe" (1589) ist exemplarisch für Tintorettos Spiel mit den Motiven - hier trifft Großartiges auf Abhängiges.

(Foto: Piero Codato)

"Alles Geist und alles Schnelligkeit": Zum 500. Geburtstag von Tintoretto leuchtet eine sehenswerte Doppelausstellung in Venedig die beeindruckenden Brüche im Schaffen des Malers aus.

Von Thomas Steinfeld

Der Gott, den der venezianische Maler Jacopo Tintoretto als Schöpfer des Tierreichs darstellt, ist ein Geist der Geschwindigkeit. Deutlich nach vorn geneigt, fliegt er dahin, umgeben von einem goldenen Licht, das sich aus großer Dunkelheit löst. Den rechten Arm hat er nach vorn gestreckt, der Wind bläst Kopfhaar und Bart nach hinten. Die Beine sind noch leicht angezogen, so als hätte er sich im Augenblick zuvor von einer Wand abgestoßen. Und so agil, wie er einem neuen Weltzustand entgegenstrebt, so treibt es die Tiere in großer Eile voran: Die Fische pflügen durch das Meer, Ibisse haben ihre Schnäbel aerodynamisch gerichtet, von rechts galoppiert das Einhorn ins Bild. Ein Grund der Eile ist nicht zu erkennen. Aber wer wollte sich von solchen Bedenken aufhalten lassen, da die Geschwindigkeit sich doch offenbar selbst Gegenstand genug ist? Das gilt in einem weiten Sinne: Denn offensichtlich ist, wie etwa am Bart erkennbar oder am Federkleid der Fasanen, auch das Bild mit großer Geschwindigkeit gemalt worden, sodass ein flüchtiger Pinselstrich ausreichen muss, um Feines in Bewegung wiederzugeben. Und verbirgt sich in diesem dahinjagenden Schöpfergott nicht auch ein Porträt des Malers selbst?

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